– von Klaus Lauer und Rene Wagner und Reinhard Becker
Berlin (Reuters) – Die Stimmung in den Chefetagen der Unternehmen tritt zum Jahresanfang auf der Stelle und bringt zunächst keinen Rückenwind für die neue Bundesregierung.
Der Ifo-Geschäftsklimaindex als wichtigstes Barometer für die Konjunktur in Deutschland verharrte im Februar auf dem Januar-Wert von revidiert 85,2 Zählern, wie das Münchner Ifo-Institut am Montag zu seiner Umfrage unter rund 9000 Führungskräften mitteilte. Im Dezember war der Index auf den tiefsten Stand seit der Corona-Krise im Mai 2020 gestürzt und hatte im Januar nur minimal zugelegt. “Die deutsche Wirtschaft wartet ab”, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Die Firmen beurteilten ihre Geschäftslage skeptischer als zuletzt, ihre Aussichten für die kommenden Monate aber etwas optimistischer.
Nach ihrem Sieg bei der Bundestagswahl kann die Union mit der SPD ein stabiles Regierungsbündnis stellen. Es dürfte aber schwierige Koalitionsverhandlungen geben. Denn in vielen Fragen – etwa rund um die Schuldenbremse und die Wirtschaftspolitik – liegen CDU/CSU und die Sozialdemokraten eher weiter auseinander.
“WIRTSCHAFT IM TIEF FESTGEFRESSEN – REFORMEN DRINGEND NÖTIG”
Ökonomen hatten für Februar zwar mit einem Anstieg des Ifo-Konjunkturbarometers gerechnet. Aber die deutsche Wirtschaft dürfte sich erst ab dem Frühjahr ein wenig nach oben bewegen, meinte Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer. “Die unterschiedlichen wirtschaftspolitischen Positionen der künftigen Koalitionspartner dämpfen ohnehin die Hoffnung auf einen Neustart in der Wirtschaftspolitik, der nach der zehnjährigen Erosion der Standortqualität so wichtig wäre.” LBBW-Experte Jens-Oliver Niklasch erklärte, die Ifo-Zahlen unterstrichen, “dass sich die Wirtschaft im Tief festgefressen hat und wachstumsfreundliche Reformen dringend nötig sind”. Für eine Trendwende werde es etwas Zeit brauchen. “Für das laufende Jahr rechnen wir unverändert mit einer erneuten Schrumpfung der Wirtschaftsleistung.” Ein drittes Rezessionsjahr in Folge hat es seit Gründung der Bundesrepublik noch nie gegeben.
Auch Ifo-Konjunkturchef Klaus Wohlrabe äußerte sich eher skeptisch. Für das Bruttoinlandsprodukt im laufenden ersten Quartal zeichne sich Stagnation ab. “Die deutsche Wirtschaft tritt auf der Stelle”, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. Der Ökonom sieht aber auch positive Signale aus dem Verarbeitenden Gewerbe. “Es gibt einen klaren Lichtblick.” Die Aussichten der Betriebe hätten sich aufgehellt. “Die Talsohle bei den Industrieaufträgen scheint durchschritten zu sein.”
Das Ifo-Geschäftsklima verbesserte sich auch im Handel und am Bau. Bei den Dienstleistern hingegen trübte sich die Stimmung ein. “Insbesondere im Bereich Transport und Logistik nahmen die skeptischen Stimmen zu”, sagte Ifo-Chef Fuest.
Die deutsche Wirtschaft ist im Schlussquartal 2024 geschrumpft. Für 2025 erwarten Fachleute allenfalls ein leichtes Wachstum, nach zwei Rezessionsjahren in Folge. Die Bundesbank rechnet für das erste Quartal zwar mit einem marginalen Wachstum, betonte in ihrem Monatsbericht zugleich: “In der Grundtendenz bleibt die deutsche Wirtschaft nach wie vor in der Stagnation gefangen.”
WIRTSCHAFTLICHES UMFELD FÜR NEUE REGIERUNG “HARTER BROCKEN”
Zudem würden Strafzölle der USA unter ihrem neuen Präsidenten Donald Trump auf Importe aus Europa dem Export-Europameister Deutschland spürbar schaden und das Wirtschaftswachstum bremsen. “Trump hat noch keinen Einfluss auf die deutsche Wirtschaft – weder positiv noch negativ”, sagte Ifo-Umfragechef Wohlrabe. Diese könne sich aber ändern, sollte Trump tatsächlich hohe Strafzölle verhängen. Die Stimmung in der Exportindustrie habe sich im Februar sogar etwas gebessert. “Aber da ist noch keine Dynamik drin”, betonte Wohlrabe.
BDI-Präsident Peter Leibinger appellierte an die künftige Regierung, mit den USA Kommunikationskanäle zu etablieren, “um Deutschland weiter zu einem wichtigen Partner der USA zu machen”, sagte der Industrieverbandschef im Interview von Reuters TV. “Und sie muss sich auf Verhandlungen vorbereiten, die anders sein werden als die, die wir in typischen Handelskonflikten gewohnt sind.”
Auch mit Blick auf wahrscheinlich anstehende Zölle der USA lautet das Fazit von Konjunkturexperte Philipp Scheuermeyer von der Förderbank KfW: “Für die neue Bundesregierung bleiben die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ein harter Brocken.”
(Bericht von Klaus Lauer, Rene Wagner und Reinhard Becker, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)