– von Daren Butler und Ece Toksabay und Jonathan Spicer
Ankara (Reuters) – Die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK soll nach dem Willen ihres Anführers Abdullah Öcalan den jahrzehntelangen bewaffneten Kampf gegen den türkischen Staat einstellen.
Der inhaftierte 75-Jährige rief zudem seine Anhänger dazu auf, die PKK aufzulösen. Das teilte die pro-kurdische Partei DEM am Donnerstag nach einem Besuch im Gefängnis mit. Sie berief sich auf einen von Öcalan verfassten Brief, aus dem sie zitierte: “Ich rufe zur Niederlegung der Waffen auf und übernehme die historische Verantwortung für diesen Aufruf”, erklärte er demnach. Zugleich appellierte er an die Türkei, die Rechte von Minderheiten und die Meinungsfreiheit zu respektieren. “Die Sprache einer neuen Epoche des Friedens und der demokratischen Gesellschaft muss in Übereinstimmung mit dieser Realität entwickelt werden.”
Der Vize-Vorsitzende der in der Türkei regierenden AKP, Efkan Ala, rief die PKK-Anhänger auf, dem Appell Öcalans zu folgen. Die Türkei könne so von ihren Fesseln befreit werden. Unklar ist aber, wieweit der Einfluss Öcalans nach einem Vierteljahrhundert in Haft noch reicht. Die Anführer der PKK-Verbände äußerten sich zunächst nicht zu Öcalans Aussagen. Die PKK hatte ihren Kampf für ein unabhängiges oder autonomes Kurdistan vor allem auf dem Boden der Türkei ausgetragen.
Öcalan sitzt seit 1999 in einem Gefängnis auf der Insel Imrali südlich von Istanbul. Zuvor war er in Kenia von türkischen Spezialeinheiten überwältigt und in die Türkei gebracht worden. Die Türkei sowie die EU und die USA stufen die PKK als Terrororganisation ein. Die militante Gruppe kämpft seit 1984 gegen den türkischen Staat, mehr als 40.000 Menschen sind in dem Konflikt getötet worden. Ziel der PKK war ein eigenständiges Kurden-Gebiet. 2015 scheiterten Friedensgespräche. Früher konzentrierte sich der PKK-Kampf für kurdische Autonomie hauptsächlich auf den überwiegend kurdischen Südosten der Türkei. Heute liegt der Schwerpunkt im Norden des Irak, wo die PKK ihren Sitz hat. Auch in Syrien mit ihrer kurdischen Bevölkerungsgruppe hat die PKK Einfluss.
Sollte die PKK tatsächlich die Waffen niederlegen, wäre dies vor allem für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ein Erfolg. Erdogan hatte den Konflikt als eines der letzten Hindernisse für sein Land auf dem Weg zu einer “großen und mächtigen Türkei” genannt. Erdogan könnte zudem darauf hoffen, dass die kurdischen Gruppen in Syrien die radikalen PKK-Anhänger aus ihren Reihen ausschließen. Nach dem Machtwechsel in Syrien bildete sich dort eine neue Regierung, in der auch die Kurden Einfluss haben sollen. Die Türkei hat in den nördlichen, von Kurden bewohnten Teilen des Landes, Truppen stationiert.
Auf der anderen Seite könnte eine Beilegung des Konflikts bei Hardlinern in Erdogans Partei auch auf Widerstand stoßen. In diesem Flügel der AKP werden Gespräche mit PKK-Führern weitgehend abgelehnt, es wird auf die vielen Opfer unter türkischen Soldaten verwiesen.
Der lange Konflikt mit vielen Toten hat im Südosten der Türkei tiefe Spuren hinterlassen. Die Region ist wirtschaftlich unterentwickelt, das Misstrauen gegen die Türkei und die Armee groß. “Jede echte Entwaffung kurdischer Kämpfer wird im Gegenzug von der Türkei konkrete Schritte erfordern – etwa Garantien für politische und kulturelle Rechte der Kurden”, sagte der politische Analyst Gareth Jenkins.
(Geschrieben von Markus Wacket, redigiert von Hans Busemann. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)