Berlin (Reuters) – Analysten rechnen angesichts möglicher Sondervermögen der künftigen Bundesregierung für Infrastruktur und Verteidigung mit einer Anleihenflut.
“Da die Sondervermögen nahezu ausschließlich kreditfinanziert werden müssten, kämen die Kreditermächtigungen aus Marktsicht geradezu einer Sintflut an neuen deutschen Bundesanleihen gleich”, sagte der Analyst der DZ Bank, Daniel Lenz, am Dienstag. Würden 100 Milliarden Euro zusätzlich pro Jahr am Kapitalmarkt ausgegeben, entspräche dies einer Zunahme des Bruttoemissionsvolumens von etwa 37 Prozent. “Könnte der Markt eine solche Flut an Bonds verkraften? Auf jeden Fall, da Deutschlands Bonität als erstklassig gilt, die Verwendung Deutschlands Potenzialwachstum steigern könnte und Anfang des Jahrzehnts bereits ähnliche Emissionsvolumina getätigt wurden”, sagte Lenz.
Die Bonität des Bundes wird von den großen Ratingagenturen jeweils mit der Bestnote AAA bewertet. Das signalisiert den Käufern, dass ihre Investitionen in Bundeswertpapiere als äußerst sichere Anlage gelten. Dafür sind sie bereit, auf Rendite zu verzichten, während sie für weniger gut bewertete Papiere anderer Länder entsprechende Risikoaufschläge verlangen.
Um Investoren den Kauf von Bundesanleihen im Wert von womöglich Hunderten Milliarden Euro schmackhaft zu machen, müssen sie aber wohl mit höheren Zinsen gelockt werden. Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe kletterte zu Wochenbeginn auf fast 2,5 Prozent, nachdem sie am Freitag noch bei unter 2,4 Prozent lag. Ein Bericht der Nachrichtenagentur Reuters, wonach renommierte Ökonomen Union und SPD zu Sondervermögen von jeweils mindestens 400 Milliarden Euro für Infrastruktur und Verteidigung raten, sorgte dafür.
“Aktuell nimmt der Markt ein höheres Angebot vorweg, was sich in steigenden Renditen bei länger laufenden Bundesanleihen spiegelt”, sagte der Leiter Rentenfondsmanagement von Union Investment, Christian Kopf. “Am Ende wird das Verhältnis von Angebot und Nachfrage den Preis, die Rendite und damit die Kosten für die Bundesrepublik bestimmen.” Kopf erwartet, dass der Markt dafür sorgen werde, dass sich Angebot und Nachfrage finden – “und dies voraussichtlich zu höheren Renditen bei länger laufenden Staatspapieren als derzeit”.
Teilweise sei dies schon an den Finanzmärkten eingepreist, sagte ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. “Aber die Zinsen würden wohl noch etwas weiter steigen.” Das wiederum könnte “die Erholung im Baugewerbe verzögern”, sagte der Ökonom der Deutschen Bank, Robin Winkler, mit Blick auf die erwartet höheren Bauzinsen. Der Marktzins für Immobilienkredite orientiert sich an den Renditen langfristiger Anleihen. Die negativen Auswirkungen für Häuslebauer ließen sich aber verkraften, da der gesamtwirtschaftliche Effekt durch die staatlichen Investitionen per Sondervermögen höher wäre, ergänzte Brzeski.
(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Kerstin Dörr – Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)