Berlin (Reuters) – Die deutsche Industrie startet 2025 mit dem stärksten Auftragsminus seit einem Jahr und hofft auf Rückenwind durch die Politik.
Die Bestellungen der Betriebe sanken im Januar um 7,0 Prozent zum Vormonat, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte. Fachleute hatten nur mit einem Rückgang von 2,8 Prozent gerechnet, nach einem Anstieg von revidiert 5,9 Prozent im Dezember. “Dies ist ein neuer herber Rückschlag”, sagte Chefanalyst Volker Treier von der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK). “Der deutliche Einschnitt in den Auftragsbüchern zum Jahresauftakt spiegelt die Schwäche der industriellen Konjunktur wider.” Ökonomen gehen davon aus, dass die Durststrecke der Industrie länger dauert und womöglich erst mit einer Investitionsoffensive der neuen Bundesregierung endet.
“Aufgrund der schwachen Binnenkonjunktur, der gesunkenen Wettbewerbsfähigkeit sowie der anhaltenden wirtschafts- und geopolitischen Unsicherheit halten sich die Unternehmen hierzulande mit Bestellungen zurück”, sagte DIHK-Experte Treier. “Die inländischen Standortbedingungen müssen endlich wieder besser werden und in den handelspolitischen Auseinandersetzungen müssen Deutschland und Europa einen kühlen Kopf bewahren.”
Auch das Bundeswirtschaftsministerium verwies auf Unsicherheit über die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen in den kommenden Jahren. “Bei der Nachfrage im Verarbeitenden Gewerbe zeichnet sich in der Tendenz noch keine nachhaltige Belebung ab. Auch bereinigt um Großaufträge sanken die Bestellungen – aber nur um 2,7 Prozent.
“Der Auftragsrückgang enttäuscht trotz des fantastischen Vormonats schon etwas”, sagte Chefvolkswirt Alexander Krüger von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. Letztlich bestehe aber weiter die Hoffnung auf eine Bodenbildung. “Höhere US-Zölle werden erst noch belasten und Lieferketten sich neu sortieren”, sagte Krüger und ergänzte mit Blick auf die Investitionspläne des wahrscheinlichen neuen Bundeskanzlers Friedrich Merz (CDU): “Bis zur Merz-Bazooka muss die Industrie jetzt durchhalten.”
Von einer Ernüchterung zum Jahresauftakt sprach Ökonom Jens-Oliver Niklasch von der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). Natürlich verzerrten die Großaufträge derzeit das Bild von Monat zu Monat. “Aber man muss die Zahlen schon ganz schön quälen, um ihnen noch etwas Positives abzugewinnen.”
IMPULS DURCH INVESTITIONEN – RÜCKSCHLAG DURCH ZÖLLE
Aus dem Inland sammelte die Industrie im Januar 13,2 Prozent weniger Aufträge ein – allerdings hatte es im Dezember ein Plus von 14 Prozent gegeben. Die Auslandsnachfrage fiel um 2,3 Prozent. Das Ministerium verwies auf die zuletzt stark schwankenden Großaufträge. Im weniger volatilen Dreimonatsvergleich sanken die Bestellungen nur um 2,4 Prozent.
Ungemach droht der Industrie von Zöllen, die US-Präsident Donald Trump angekündigt hat. “Sollten tatsächlich alle europäischen – und damit deutschen – Exporte mit einem Zollsatz von 25 Prozent belegt werden, so droht den deutschen Exportaufträgen ein neuer empfindlicher Rückschlag”, sagte der wissenschaftliche Direktor des gewerkschaftsnahen IMK-Instituts, Sebastian Dullien. Dies könne die Industrieerholung verzögern.
Wenn die Pläne von Union und SPD zu einem Sondervermögen für Infrastrukturinvestitionen und höhere Verteidigungsausgaben durchgesetzt werden, dürfte dies auf die Industrie ausstrahlen. Die Wirkung dürfte aber erst im Laufe von 2026 deutlich sichtbar werden, sagte Dullien. “Mindestens bis zur Jahresmitte 2025, wahrscheinlich aber auch bis zum Jahresende ist mit einem Anhalten der Durststrecke der deutschen Industrie zu rechnen.”
Während die Industrie schon lange schwächelt, können sich auch die deutschen Dienstleister nicht von der Konjunkturflaute abkoppeln. Die Service-Branche hatte 2024 nominal 3,0 Prozent mehr Umsatz in der Kasse, wie das Statistikamt erklärte. Bereinigt um höhere Preise blieb nur ein Plus von 0,1 Prozent.
Derweil wuchs die Wirtschaft in der Euro-Zone Ende 2024 um 0,2 Prozent zum Vorquartal und damit etwas stärker als zunächst mit plus 0,1 Prozent vom EU-Statistikamt Eurostat angenommen.
(Bericht von Klaus Lauer, Mitarbeit: Reinhard Becker, redigiert von Sabine Ehrhardt – Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)