Deutsche Chemie tritt auf der Stelle – Auftragsbücher leer

Frankfurt (Reuters) – Die deutsche Chemieindustrie kämpft mit anhaltendem Gegenwind und sieht auch 2024 keine Wende zum Besseren.

“Unsere Branche tritt auf der Stelle, das Inlandsgeschäft bleibt im Tiefschlaf. Jeder zweite Betrieb klagt über leere Auftragsbücher, während Europas Wirtschaft nicht einmal mehr ein laues Lüftchen als Aufschwung verspricht”, sagte der Hauptgeschäftsführer des Branchenverbands VCI, Wolfgang Große Entrup, am Dienstagabend in Frankfurt. Eine Erholung sei nicht in Sicht, ein Aufschwung frühestens 2026 zu erwarten.

Für dieses Jahr rechnet der VCI mit einem Rückgang des Umsatzes in der chemisch-pharmazeutischen Industrie von einem Prozent. Während das Pharmageschäft um zwei Prozent wachsen dürfte, wird das Minus komplett aus der Chemie kommen. Die Gesamtproduktion dürfte stagnieren, die Erzeugerpreise um ein Prozent sinken. Im Dezember hatte der Verband noch einen stagnierenden Branchenumsatz erwartet, ein Produktionsplus von 0,5 Prozent und einen Preisrückgang von 0,5 Prozent.

“Die Nachfrage nach Chemikalien ‘made in Germany’ wird auch in den nächsten Monaten mau bleiben”, erklärte Große Entrup. “Trumps unberechenbare Zollpolitik, erneut steigende Energiepreise und ungelöste Strukturprobleme sorgen weiter für Verunsicherung.” Die Chemieindustrie gehört mit den Auto- und Maschinenbauern zu den besonders exportstarken deutschen Branchen. Auch das Münchner ifo-Institut meldete zuletzt, dass sich die Stimmung in der deutschen Chemieindustrie weiter eingetrübt hat. Die Erwartungen für die kommenden sechs Monate seien noch pessimistischer als zuvor, die Auftragsbestände weiterhin äußerst niedrig.

Der VCI setzt nun auf die neue Bundesregierung, die dringend notwendige Strukturreformen anstoßen und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen stärken müsse – etwa über den Abbau von Bürokratie und eine Senkung der Energiekosten. “Wir brauchen jetzt die Wirtschaftswende.”

2024 fiel der Branchenumsatz laut VCI um zwei Prozent auf 221 Milliarden Euro. Die Produktion stieg zwar im Vergleich zum Vorjahr um ein Prozent, die Erzeugerpreise sanken jedoch um gut zwei Prozent. Die Hoffnungen auf eine Erholung erfüllten sich nicht. “Die Lichtblicke waren nur ein kurzes Strohfeuer”, sagte Große Entrup. Im vierten Quartal sackte die Produktion auf den tiefsten Stand seit Mitte 2009 ab, die Kapazitätsauslastung lag mit 74,4 Prozent unter der Rentabilitätsschwelle. Eine Insolvenzwelle befürchtet Große Entrup zwar nicht, warnte aber, dass die Beschäftigtenzahlen zurückgehen könnten. 2024 blieb die Zahl der Beschäftigten mit rund 480.000 aufgrund von Zuwächsen im Pharmabereich noch stabil.

(Bericht von Patricia Weiß. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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