Merz und Klingbeil rechnen fest mit Zweidrittel-Mehrheit für Finanzpaket

– von Andreas Rinke

Berlin (Reuters) – Kurz vor der entscheidenden Abstimmung des alten Bundestages haben sich die Parteichefs von CDU, SPD und Grünen optimistisch geäußert, dass am Dienstag die nötige Zweidrittel-Mehrheit zustande kommen wird.

CDU-Chef Friedrich Merz und SPD-Fraktionschef Lars Klingbeil sprachen nach Fraktionssitzungen von sehr wenigen Abweichlern, so dass die Mehrheit von 31 Stimmen nicht als gefährdet gilt. Bei einer Probeabstimmung in der Grünen-Fraktion gab es eine Nein-Stimme, die schon vorher bekannt war. Grünen-Co-Chefin Franziska Brantner sprach davon, dass sich keine Schwierigkeiten abzeichneten. Ein Risiko könnte weitere Eilanträge von FDP- und AfD-Politikern gegen das Votum am Dienstag sein, die in Karlsruhe eingereicht wurden.

Am Dienstag wird der Bundestag in seiner alten Zusammensetzung über eine Grundgesetzänderung abstimmen, auf die sich CDU/CSU, SPD und Grüne am Freitag geeinigt hatten. Elemente sind zum einen das Streichen eines Deckels in der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben. Zum anderen soll ein 500 Milliarden Euro umfassenden Sondervermögen – eine Kreditlinie außerhalb der Schuldenbremse – für Investitionen in Infrastruktur geschaffen werden. Drittens sollen die Länder das Recht bekommen, sich bis zu einer Grenze von 0,35 Prozent des BIP wieder verschulden zu können. Dafür sind eine Zweidrittel-Mehrheit in Bundestag und am Freitag im Bundesrat nötig.

Vor allem die Unions-Fraktion galt als Risiko, weil einige Medien von angeblich zweistelligen Zahlen an Abweichlern berichteten. Nur wenige Abgeordnete machten ihre Ablehnung öffentlich wie etwa der CDU-Bundestagsabgeordnete und frühere Partei-Generalsekretär Mario Czaja. Dieser sagte nach der Unions-Fraktionssitzung, dass er bei seinem Nein bleibe. Er führte dafür unter anderem an, dass die Zinslast im Bundeshaushalt durch die Schuldenaufnahme dramatisch steigen werde. Nach Angaben von Merz gibt es in der Union “zwei oder drei, die bei ihrer (ablehnenden) Entscheidung bleiben wollen”.

NEUE KLAGEN IN KARLSRUHE

Neue Unsicherheit bringen die in Karlsruhe anhängigen Klagen. So kommen aus der FDP neue Eilanträge: Wie es aus der Fraktion heißt, werden die Abgeordneten Florian Toncar, Otto Fricke und Thorsten Lieb einen entsprechenden Antrag einbringen. Bei dem Gesetzgebungsverfahren im Schnellverfahren seien die Mitwirkungspflichten der Parlamentarier verletzt worden. Damit unterschiede sich das Verfahren von den abgelehnten Eilanträgen von Freitag, die darauf abzielten, dass der 20. Bundestag nicht mehr zusammenkommen sollte. Auch Mitglieder der AfD-Fraktion hatten erneut einen Eilantrag vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das milliardenschwere Finanzpaket gestellt. Ein AfD-Sprecher bestätigte dies am Montag und begründete auch den Schritt seiner Partei damit, dass der Haushaltsausschuss des Bundestages keine Expertenanhörung zugelassen habe.

MACHEN GENUG LÄNDER MIT?

Merz zeigte sich optimistisch, dass am Freitag auch die Länderkammer zustimmen wird. Es gibt aber etliche Landesregierungen mit Beteiligung von Linken, FDP, BSW und Freien Wählern, bei denen die Zustimmung zumindest unsicher scheint. Weder SPD-Chef Klingbeil noch SPD-Generalsekretär Matthias Miersch wollten sich festlegen, dass alle SPD-geführten Länder mitstimmen werden. Man rechneten aber mit einer ausreichenden Mehrheit. “Ich gehe fest davon aus, dass Bremen im Bundesrat zustimmen wird”, sagte Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD), der zusammen mit SPD, Grünen und Linken regiert, der Nachrichtenagentur Reuters.

Merz verwies darauf, dass Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der mit den Freien Wählern regiert, am Sonntag klar gesagt habe, dass Bayern zustimmen werde. CSU und Freie Wähler einigten sich darauf am Montag auch formell. Auf Reuters-Anfragen verwiesen etwa die SPD-geführten Landesregierungen in Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern darauf, dass bei ihnen eine Entscheidung erst im Laufe der Woche fallen werde.

MERZ WARNT

Das Finanzpaket soll die finanzielle Grundlage für die angestrebte Regierung aus Union und SPD bilden. Merz verwies aber darauf, dass durch die in der Union durchaus umstrittene riesige Schuldenaufnahme der Konsolidierungsdruck im Bundeshaushalt nicht etwa kleiner, sondern größer werde. Deshalb sprach er ebenso wie CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt von sehr schwierigen Koalitionsverhandlungen mit der SPD – und möglicherweise wochenlangen Gesprächen. “Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit”, betonte Merz, der früher gesagt hatte, dass er an Ostern eine Regierung gebildet haben wollte. Dobrindt sagte, dass bereits im Koalitionsvertrag geklärt sein müsse, wo man im Haushalt sparen wolle.

Von den finanziellen Belastungen für den Haushalt durch die Sondierungsvereinbarungen von CDU, CSU und SPD, will die Union nach den Worten von Merz trotz des Spardrucks aber nicht wieder abrücken. Vor allem die CSU hatte dort eine weitere Stufe der Mütterrente, die Erhöhung der Pendlerpauschale sowie eine Senkung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie durchsetzen können, die zusammen mehrere Milliarden Euro kosten. Die SPD sei nur Juniorpartner in der angestrebten Regierung, betonte Merz.

Merz verwies beim Zeitplan auch auf den Mitgliederentscheid der SPD über einen möglichen Koalitionsvertrag. SPD-Generalsekretär Miersch hatte gesagt, dass seine Partei einen digitalen Mitgliederentscheid vorbereite, der etwa zehn Tage in Anspruch nehmen werde.

(Mitarbeit von Holger Hansen, Alexander Ratz und Jörn Poltz. Redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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