Berlin (Reuters) – Die deutsche Wirtschaft fürchtet nach den Verfassungsänderungen für mehr Investitionen in die Verteidigung und Infrastruktur zu wenig Reformen der künftigen Regierung.
“Ohne ernsthafte Reformen gibt es keine Rechtfertigung für diesen Schuldenberg”, sagte der Präsident des Großhandelsverbands BGA, Dirk Jandura, am Dienstag. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) sieht die Politik jetzt in der Verantwortung, die zusätzlichen Milliarden klug und effizient einzusetzen. “Geschieht dies nicht, kann diese massive Verschuldung zu einem enormen Risiko werden. Denn klar ist: Unsere Wirtschaft muss mittelfristig wieder schneller wachsen als Schulden und Kreditzinsen”, sagte DIHK-Präsident Peter Adrian.
Der Bundestag hatte zuvor Grundgesetzänderungen für das Finanzpaket beschlossen, das vermutlich ein Volumen von rund einer Billion Euro haben wird. Geld fließt vorerst aber noch nicht. Der Bundesrat muss am Freitag noch zustimmen.
Der Handwerksverband ZDH sprach von einem gigantischen Geldtopf, der nun geschaffen werden könne. Die Milliarden dürften nicht versickern. “Die größte Sorge zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Regierungsbildung ist, dass diese Milliardeninjektion zu einer Reformnarkotisierung der künftigen Koalition führt. Dazu darf es nicht kommen.” Geld allein baue noch keine Brücken.
CDU/CSU und SPD loten derzeit eine Koalition aus, die bis etwa Ostern stehen soll. Das riesige Finanzpaket wurde in den Sondierungen beschlossen, noch vor der Festlegung auf konkrete Inhalte. BGA-Präsident Jandura sagte, die nächste Regierung müsse die Kosten der sozialen Sicherungssysteme in den Griff bekommen. “Renten-, Gesundheits- und Pflegekosten explodieren und machen Arbeit für Beschäftigte und Unternehmen immer teurer. Die Sozialabgaben müssen sich langfristig wieder am Ziel der 40-Prozent-Marke orientieren.”
Mehrere Verbände begrüßten aber den geplanten, 500 Milliarden Euro schweren Sondertopf zur Modernisierung der Infrastruktur. Damit könne die Sanierung des Schienennetzes Fahrt aufnehmen, sagte der Geschäftsführer des Güterbahnen-Verbands, Peter Westenberger. “Qualität und Kapazität im Schienennetz könnten endlich steigen. Verladende Wirtschaft und Reisende könnten wieder Vertrauen in die Schiene fassen und Lkw und Auto häufiger stehen lassen.”
(Bericht von Christian Krämer, redigiert von Birgit Mittwollen. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)