EZB-Chefökonom wirbt mit Autonomie-Argument für digitalen Euro

Frankfurt (Reuters) – EZB-Chefvolkswirt Philip Lane macht sich für einen digitalen Euro stark.

Beim digitalen Euro gehe es nicht nur darum, das aktuelle Geldsystem an das digitale Zeitalter anzupassen, sagte der oberste Ökonom der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag in einem Vortrag auf einer Konferenz in Cork in Irland. “Es geht darum, dass Europa vor dem Hintergrund einer zunehmenden geopolitischen Fragmentierung sein geldpolitisches und finanzielles Schicksal selbst in der Hand hat”, sagte er. Die EZB treibt das Projekt eines digitalen Euro schon seit Jahren voran und will in diesem Jahr grundlegende Fragen dazu klären.

Lane wies auf eine erhebliche Abhängigkeit Europas von ausländischen Anbietern im Zahlungsverkehr hin. Internationale Kartenanbieter wie Visa und Mastercard wickelten mittlerweile 60 Prozent der Kartenzahlungen im Euro-Raum ab. “In 13 der 20 Euro-Länder wurden nationale Kartensysteme vollständig durch diese internationalen Alternativen ersetzt”, kritisierte der EZB-Ökonom. Zudem machten Zahlungen per Handy über Apps, die von außereuropäischen Technologiekonzernen wie Apple Pay, Google Pay oder PayPal dominiert würden, schon fast ein Zehntel der Transaktionen im Einzelhandel aus. Und das jährliche Wachstum sei hier zweistellig.

“Diese Abhängigkeit setzt Europa dem Risiko wirtschaftlichen Drucks und Zwangs aus und hat Auswirkungen auf unsere strategische Autonomie”, warnte Lane. Sie schränke die Fähigkeit Europas ein, kritische Aspekte seiner Finanzinfrastruktur zu kontrollieren. Die EZB arbeitet momentan daran, unter anderem das Regelwerk für eine digitale Version der Gemeinschaftswährung fertigzustellen und forciert die Entwicklung einer Plattform und Infrastruktur. EZB-Direktor Piero Cipollone hatte kürzlich gesagt, die Notenbank liege mit dem Projekt im Zeitplan und sollte daher bereit sein, bis November 2025 eine Entscheidung über den Übergang zur nächsten Projektphase zu treffen. Die EU-Kommission hatte im Juni 2023 ihren Gesetzesvorschlag für einen digitalen Euro vorgelegt. Mit der Einführung wird derzeit bis etwa 2030 gerechnet.

(Bericht von Frank Siebelt, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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