Osteuropäer und Scholz dringen auf mehr Ukraine-Hilfe

Berlin/Brüssel (Reuters) – Die Nord- und Osteuropäer sowie Deutschland dringen darauf, dass der EU-Gipfel die Unterstützung für die Ukraine erhöhen soll.

“Wenn sie stärker auf dem Schlachtfeld ist, ist sie auch stärker am Verhandlungstisch”, sagte die aus Estland stammende EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas am Donnerstag vor Beginn des Gipfels in Brüssel. Sie schlug erneut vor, der Ukraine eine neue Fünf-Milliarden-Euro-Zusage für Munition zu geben. Bundeskanzler Olaf Scholz sagte auf seinem mutmaßlich letzten regulären EU-Gipfel, dass die Europäische Union ihre Unterstützung für die Ukraine fortsetzen müsse. Der finnische Ministerpräsident Petteri Orpo und der litauische Präsident Gitanas Nauseda forderten zudem, dass die Ukraine noch vor 2030 EU-Mitglied werden müsse.

Die 27 EU-Staats- und Regierungschefs wollen auf dem Gipfel sowohl über die Ukraine, die Erhöhung der Rüstungsproduktion in Europa als auch erstmals über den EU-Haushalt ab 2028 diskutieren. An den Beratungen nehmen auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und UN-Generalsekretär Antonio Guterres teil. Für die EU geht es auch um die eigene Ausrichtung im Ukraine-Konflikt nach dem Telefonat von US-Präsident Donald Trump mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Mehrere Regierungschefs betonten, dass die Ukraine selbst über ihr Schicksal entscheiden müsse.

“Es geht darum, dass wir unsere Unterstützung fortsetzen, dass wir einen klaren Standpunkt haben, damit ein gerechter Frieden für die Ukraine möglich ist”, sagte Scholz. Die Ukraine müsse gegen den russischen Angreifer ihre Unabhängigkeit und Souveränität verteidigen können und selbst “über ihren Weg entscheiden und wer das Land regiert”, fügte er hinzu. Dazu gehöre auch, dass man die Ukraine in die Lage versetzen müsse, dass sie auch in Friedenszeiten über eine starke Armee verfüge. “Das sind die Dinge, die wir hier mit unseren Entscheidungen möglich machen müssen. Ich glaube, das wird auch so sein”, sagte der Kanzler.

Scholz betonte, dass eine Waffenruhe nur auf Basis der ukrainischen Vorschläge zustande kommen könne. “Jetzt gibt es einen ersten Schritt, der möglich scheint angesichts der Ergebnisse des Gesprächs zwischen dem russischen Präsidenten und dem amerikanischen Präsidenten.” Aber nun müssten die Vereinbarungen auch umgesetzt werden, sagte Scholz in Anspielung auf die zuletzt anhaltenden russischen Angriffe auf die Ukraine.

Scholz betonte, dass der Bundestag mit der Grundgesetzänderung zur Steigerung der Verteidigungsausgaben den notwendigen Schritt unternommen habe, damit Deutschland in der Mitte Europas seine Aufgaben wahrnehmen könne. Wenn der Bundesrat am Freitag final zustimmen sollte, könne auch die deutsche Militärhilfe für die Ukraine von vier auf sieben Milliarden Euro aufgestockt werden.

DIFFERENZEN WEGEN GELD UND THEMEN

Bereits vor Beginn des Gipfels wurden aber auch abweichende Meinungen deutlich. So räumte die EU-Außenbeauftragte Kallas ein, dass es einen Konflikt zwischen den nötigen höheren Rüstungsausgaben und der Ukraine-Hilfe mit den Budgetproblemen einiger hochverschuldeter EU-Länder gebe. Der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis forderte deshalb eine Diskussion über eine gemeinschaftliche Verschuldung auf EU-Ebene für Verteidigungsausgaben.

Dazu kommt, dass die geografische Lage einen unterschiedlichen Blick zwischen ost- und südeuropäischen Ländern auf die Ukraine bewirkt. “Es ist wichtig zu berücksichtigen, dass die Herausforderungen, mit denen wir in der südlichen Nachbarschaft konfrontiert sind, sich ein wenig von denen unterscheiden, mit denen die Ostflanke konfrontiert ist”, mahnte etwa Spaniens Regierungschef Pedro Sanchez. Für ihn stehe mehr im Vordergrund, die Grenzkontrollen und den Kampf gegen den Terrorismus zu verstärken. Die neuen von der EU-Kommission vorgeschlagenen Finanzinstrumente für höhere Verteidigungsausgaben müssten zudem den Kampf gegen Cyberangriffe und hybride Angriffe abdecken. “Ich mag den Begriff Aufrüstung nicht. Die Europäische Union ist ein politisches Projekt der weichen Macht”, betonte der Sozialdemokrat. Auch die Ministerpräsidentin des hochverschuldeten Italiens, Giorgia Meloni, wies den Ausdruck Aufrüstung zurück.

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban, der eine weitere militärische Unterstützung der Ukraine ablehnt, sagte: “Die EU ist ein zahnloser Tiger.” Wirkliche Macht hätten nur die USA. Orban gilt als Russland-nah und Trump-Verbündeter.

(Bericht von Andreas Rinke, Lili Bayer, Krisztina Than; redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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