– von Andreas Rinke
Berlin (Reuters) – CDU, CSU und SPD haben am Freitagnachmittag die entscheidenden Verhandlungsrunden zur Bildung einer schwarz-roten Koalition begonnen.
Die vier Parteivorsitzenden unterstrichen, dass man versuchen müsse, einen großen Wurf zur Lösung der Probleme in Deutschland zustande zu bekommen. “Wir müssen ein gemeinsames Bild zeichnen, wie wir uns denn die Bundesrepublik Deutschland in den nächsten zehn Jahren vorstellen, wie dieses Land aussehen soll”, sagte CDU-Chef Friedrich Merz. SPD-Co-Chef Lars Klingbeil betonte, man müsse darauf achten, dass man eine Vereinbarung finden, die “groß genug” sei, um Antworten auf die Herausforderungen zu finden. Man werde nun bei der Prüfung der Ergebnisse der Koalitions-Arbeitsgruppen sehen: “Reicht das, sind das die richtigen Schwerpunkte oder müssen wir noch ganz anders priorisieren?”
CSU-Chef Markus Söder sagte, dass bereits die Finanzbeschlüsse vergangene Woche, die mehr Verteidigungsausgaben und ein Sondervermögen von 500 Milliarden Euro für Infrastruktur ermöglichen, ein großer Wurf gewesen seien. Nun werde man einen Koalitionsvertrag zustande bringen, der “auch ein bisschen mehr Optimismus” erzeuge. Klingbeil warnte: “Uns ist völlig klar, wir können nur einen Koalitionsvertrag vorlegen, der geprägt ist von soliden Finanzen, von Projekten, die wir für wichtig halten, die durchfinanziert sind.” Man werde nicht den Fehler am Anfang machen, gute Projekte aufzuschreiben, die am Ende aber nicht finanziert seien.
NUN VERHANDELN DIE CHEFS
Am Nachmittag begann die nächste Phase der Koalitionsverhandlungen: Die sogenannte 19er-Gruppe spricht über die Texte, die die 16 Arbeitsgruppen der Fachpolitiker ausgearbeitet haben. Der Gruppe gehören unter anderem die Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD, die Generalsekretäre, einige Ministerpräsidentinnen und Länderchefs sowie weitere Spitzenpolitiker an. Sie wollen zunächst Freitag und Samstag in der SPD-Zentrale verhandeln, kommende Woche soll es in der CDU-Zentrale weitergehen.
Am Freitag relativierten die Vorsitzenden CDU, CSU und SPD die Ergebnisse der 16 Arbeitsgruppen. “Ich habe in der Tat das Gefühl, dass bei manchen Arbeitsgruppen – nicht bei allen -, die Überschrift lautet: Wünsch dir was”, sagte CDU-Chef Merz. “Das wird jetzt unsere Aufgabe sein, das auf das mögliche Maß zu reduzieren.” SPD-Co-Chefin Saskia Esken sagte, dass die Arbeitsgruppen “sehr, sehr viele Ideen und “sehr, sehr viele Wünsche” aufgeschrieben hätten, dass die Mittel aber begrenzt seien. “Da kann man jetzt schon sagen, dass nicht alles möglich sein wird”, hatte die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig (SPD), bereits am Morgen bei RTL/ntv mit Blick auf die Kosten der Vorschläge der Arbeitsgruppen gewarnt.
VIELZAHL OFFENER PUNKTE
Der größte Brocken für die Verhandlungsrunde sind offenbar die Finanzen. Schwesig plädierte für eine Entlastung kleiner sowie mittlerer Einkommen und forderte, dass die reichsten Menschen im Land stärker belastet werden sollten. CSU-Chef Söder schloss dagegen in der ARD Steuererhöhungen aus. “Sozialdemokraten mögen halt gern Steuererhöhungen, und das werden wir nicht tun. Wir brauchen Steuersenkungen”, sagte Bayerns Ministerpräsident. Der CDU/CSU-Fraktionsvize Jens Spahn betonte die Notwendigkeit, im Haushalt deutliche Einsparungen vorzunehmen. Er sprach in der ARD von einer Lücke von 30 bis 40 Milliarden Euro im noch nicht verabschiedeten Bundeshaushalt 2025. Am Nachmittag nahmen die Parteichefs keine Stellung zu der Frage, ob Steuererhöhungen ausgeschlossen seien.
Der designierte Kanzler Merz mahnte, dass man in der Migrations- und Wirtschaftspolitik eine Wende brauche. Söder zeigte sich überzeugt, dass sich die Union bei diesem Thema weitgehend mit ihren Vorstellungen durchsetzen werde. Die Vereinbarungen seien bereits im Sondierungspapier fixiert und würden auch nicht aufgeweicht. “Es sind ja so die zehn Gebote quasi”, sagte Söder. Saarlands Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) sprach von “einigen wenigen offenen Punkten” beim Thema Migration. Mit Blick auf den nötigen Mitgliederentscheid der SPD zu einem Koalitionsvertrag verwies sie darauf, dass die SPD mit dem Infrastrukturpaket über 500 Milliarden Euro, den Formulierungen zum Mindestlohn und Tariftreuegesetz bereits wichtige Vorhaben durchgesetzt habe.
Sowohl Söder also auch Rehlinger zeigten sich überzeugt davon, dass es zur Bildung einer schwarz-roten Bundesregierung kommen wird. “Wir sind schon auf der Zielgeraden”, sagte Rehlinger in der ARD. Söder sagte, er rechne “ganz sicher” mit einem Abschluss der Koalitionsverhandlungen. In Koalitionskreisen hieß es, man rechne nun mit einer Kanzlerwahl Anfang Mai.
(Bericht von Andreas Rinke; redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)