Wachwechsel in Niedersachsen – Lies soll Weil ablösen

– von Andreas Rinke

Hannover (Reuters) – Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hat seinen Rückzug erklärt und den bisherigen Wirtschaftsminister Olaf Lies als Nachfolger vorgeschlagen.

Der 66-jährige Weil, der in Niedersachsen seit 2013 regiert, begründete seinen Schritt am Dienstag in Hannover mit Altersgründen. Er habe den SPD-Gremien Lies als Nachfolger sowohl im Amt des Landesvorsitzenden als auch als Ministerpräsident vorgeschlagen. Der 57-jährige Lies kündigte an, die rotgrüne Koalition in Hannover auch über die nächste Landtagswahl 2027 hinaus fortsetzen zu wollen und sich im VW-Aufsichtsrat an Weils bisheriger Politik zu orientieren. Die Grünen-Fraktion, die von Weil und Lies vor der gemeinsamen Pressekonferenz von dem Schritt unterrichtet wurde, sagte ihm die Wahl zum Ministerpräsidenten zu.

Mit Blick auf die Bundesebene und eine mögliche Koalition mit der CDU auch auf Landesebene verwies Lies auf eine Sondersituation im Bund, wo es keine Alternative zur einem Bündnis aus Union und SPD gebe. “Ich habe das Gefühl, dass man zu einer Verständigung kommt, das erwarten die Menschen auch von uns”, sagte der Wirtschaftsminister, der selbst in einer der Koalitions-Arbeitsgruppe über Energie mitverhandelt hatte. Es sei gut, dass es mit den Beschlüssen über das riesige Finanzpaket Geld für Projekte in den Kommunen geben werde. Aber in Niedersachsen gebe es größere Übereinstimmungen mit den Grünen, betonte Lies auf die Frage, ob die rechnerisch ebenfalls mögliche Koalition mit der CDU nicht für seine schwarz-rote Mehrheit im Bundesrat für die Durchsetzung durchgreifender Reformen in den kommenden Jahren wichtiger sei.

In der SPD gilt der Landesverband Niedersachsen als besonders wichtig. Auch Partei-Co-Chef Lars Klingbeil, Generalsekretär Matthias Miersch, Verteidigungsminister Boris Pistorius und Arbeitsminister Hubertus Heil kommen von dort.

LIES SOLL IM MAI ÜBERNEHMEN

Am 16. Mai soll die SPD Niedersachsen auf einem Sonderparteitag Lies als neuen Landeschef vorschlagen, am 20. Mai soll er im Landtag zum neuen Ministerpräsidenten gewählt werden. Auf dem regulären SPD-Landesparteitag Ende Mai soll er dann zum neuen Landeschef gewählt werden.

Lies kündigte an, dass er sich bei seiner künftigen Funktion als Aufsichtsrat beim Autokonzern VW an der Arbeit von Weil orientieren werde, den er auch dort ablöst. Die Ministerpräsidenten sind traditionell im Aufsichtsrat des Konzerns vertreten, an dem Niedersachsen einen Stimmrechtsanteil von 20 Prozent und einen Aktienanteil von knapp zwölf Prozent hat. Derzeit haben Weil und Vize-Regierungschefin Julie Hamburg (Grüne) diese Posten inne.

Zustimmung kam von der bei VW wichtigen IG Metall: “Mit Olaf Lies tritt nun (…) ein erfahrener Wirtschafts- und Energieexperte an die Spitze des Landes”, teilte IG Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger mit. “In einer Zeit des wirtschaftlichen und ökologischen Wandels setzt Niedersachsen damit ein klares Zeichen für Kontinuität und Stabilität.”

Weil ist seit 2013 Ministerpräsident des Bundeslandes und damit einer der dienstältesten Landeschefs in Deutschland. Bundesratsvorsitzende Anke Rehlinger (SPD) würdigte ihn in der “Rheinischen Post” als “Fels in der Brandung aufgeregter Zeiten”. Arbeitsminister Heil sagte Reuters, dass Lies in Niedersachsen hohes Vertrauen genieße und die niedersächsische SPD geschlossen hinter sich wisse.

Weil begründete seinen Rückzug damit, dass die Herausforderungen des Amtes weiter zunehmen würde, er aber selbst unter anderem unter Schlafstörungen leide. “Ich habe den Eindruck, es ist Zeit kürzer zu treten”, sagte Weil und verwies darauf, dass ihn auch das Ergebnis der Bundestagswahl zum Nachdenken gebracht habe. Die Zeiten würden herausfordernder und die SPD brauche einen langen Atem, um wieder stärkeren Rückhalt bei den Wählern zu bekommen. Es sei deshalb wichtig, dass nun Lies übernehme, der eine “weitergehende Perspektive” habe.

Der Zeitpunkt des Rückzugs zur Mitte der Legislaturperiode hängt aber auch damit zusammen, dass Weil ohnehin nicht erneut kandidieren und die SPD einen neuen Kandidaten aufbauen musste.

Der Ministerpräsident machte eine Andeutung, dass er seinen Rückzug auch als Signal an die Bundesebene der SPD sieht. “Lars Klingbeil hat nach den Wahlen von einem notwendigen Generationswechsel gesprochen und er hat recht damit”, betonte Weil. “Dazu will ich zumindest einen kleinen Beitrag leisten.” In der Bundes-SPD gibt es derzeit eine Debatte, wer dem angestrebten schwarz-roten Bundeskabinett angehören sollte. Umstritten ist dabei etwa, ob die 63-jährige Co-Parteichefin Saskia Esken einen Posten übernehmen sollte.

(Mitarbeit: Holger Hansen und Christina Amann. Redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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