EU berät über für richtige Antwort auf Trumps Zollhammer

– von Christian Krämer und Rene Wagner und Trevor Hunnicutt

Berlin/Washington (Reuters) – Die Handelsminister der 27 EU-Staaten beraten in Luxemburg über eine angemessene Antwort auf die hohen US-Sonderzölle.

Beschlüsse werden dabei aber noch nicht erwartet. Ab Mittwoch wollen die USA auf Importe aus Europa einen pauschalen Zoll von 20 Prozent erheben. Wegen des Handelskriegs herrschte auch am Montag wieder Panik an den internationalen Aktienmärkten. Der Ausverkauf ging ungebremst weiter. US-Präsident Donald Trump sagte Journalisten an Bord der “Air Force One”, er erwarte als Gegenleistung für die Aufhebung der Sonderzölle massive Geldzahlungen. China hatte bereits mit hohen Gegenzöllen gekontert. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wollte am Montag und Dienstag auch Firmenchefs aus den Branchen Stahl, Automobil und Pharma treffen, um über den Folgen der US-Zölle und mögliche Konsequenzen zu beraten.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck plädierte für eine besonnene Antwort der EU. “Der Schaden kann noch größer werden”, sagte der Grünen-Politiker in Luxemburg. Die EU müsse jetzt ruhig und umsichtig, aber auch klar und entschieden agieren. Sie sei in einer starken Position, wenn sie Geschlossenheit unter Beweis stelle und sich nicht von Trump spalten lasse. Die EU werde in etwa zehn Tagen Gegenmaßnahmen auf zuvor von Trump bereits eingesetzte Sonderzölle auf Stahl und Aluminium erlassen, die aber nicht ganz so hoch ausfallen würden wie die der USA. Die Antwort auf die 20 Prozent werde nun diskutiert. Denkbar sei es, den Druck im Pharmabereich zu erhöhen, den Trump zunächst ausgenommen hatte. Hier seien die USA verwundbar. Die EU könnte Exporte in die USA verteuern und so den Druck erhöhen. Außerdem könnten wettbewerbsrechtliche Maßnahmen vorbereitet werden, wozu auch eine Digitalsteuer gehören könne.

Nach den Worten von Österreichs Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) sollte die EU mit dem größten Binnenmarkt der Welt selbstbewusst auftreten. Es würden zunächst US-Prestigeprodukte ins Visier genommen, in einem zweiten Paket gehe es dann gegen US-Bundesstaaten. Sollten Verhandlungen scheitern, werde es in einem dritten Schritt gegen die US-Technologiekonzerne gehen. Der irische Handelsminister Simon Harris sagte dagegen, die US-Technologiekonzerne ins Visier zu nehmen, sei derzeit “hochgradig unwahrscheinlich”.

Spanien mahnte auf EU-Ebene Hilfen für Branchen an, die von den US-Zöllen besonders betroffen sind. Die Regierung in Madrid hat bereits angekündigt, spanischen Unternehmen ein Finanzpaket mit Krediten und direkten Beihilfen im Volumen von rund 14 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen.

TRUMP WILL “EINE MENGE GELD”

Trump sagte am Sonntagabend bei seiner Rückkehr von einem Golfwochenende in Florida, er sei nicht beunruhigt wegen der Verluste an den weltweiten Aktienmärkten. “Manchmal muss man Medizin nehmen, um etwas zu heilen.” Er habe am Wochenende mit führenden Politikern aus Europa und Asien gesprochen. “Sie kommen an den Tisch. Sie wollen reden, aber es gibt keine Gespräche, wenn sie uns nicht jedes Jahr eine Menge Geld zahlen.”

Nach Angaben von US-Finanzminister Scott Bessent haben über 50 Länder seit der Ankündigung der neuen Zölle am vergangenen Mittwoch Verhandlungen mit den USA aufgenommen. Trump habe sich “ein maximales Druckmittel verschafft”, sagte Bessent dem Sender NBC. US-Handelsminister Howard Lutnick sagte CBS, die Zölle würden “für Tage und Wochen” in Kraft bleiben.

Der US-Milliardär und Trump-Berater Elon Musk hofft nach eigenen Angaben in Zukunft auf den Wegfall aller Zölle zwischen den USA und Europa. Habeck nannte diese Aussage ein Zeichen der Schwäche und der Angst. Er sollte wegen der Welle von neuen Zöllen lieber zu Trump gehen und ihn auffordern, “den Blödsinn zu beenden.”

REZESSION BEFÜRCHTET – PANIK AN BÖRSEN

An der Frankfurter Börse stürzte der Dax am Montagmorgen um sechs Prozent auf 19.418 Punkte ab und büßte damit seinen gesamten Jahresgewinn ein. Damit steuerten die Börsenbarometer auf die größten Tagesverluste seit der Corona-Pandemie zu. Bereits am Freitag waren sie um rund fünf Prozent abgerutscht.

CDU-Chef Friedrich Merz forderte als Reaktion auf die Entwicklung an den Märkten deutliche Konsequenzen für die Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD. “Die Lage an den internationalen Aktien- und Anleihemärkten ist dramatisch und droht sich weiter zuzuspitzen”, sagte der voraussichtliche Kanzler der Nachrichtenagentur Reuters. “Es ist deshalb dringlicher denn je, dass Deutschland so schnell wie möglich seine internationale Wettbewerbsfähigkeit wiederherstellt.” Diese Frage müsse jetzt im Zentrum der Koalitionsverhandlungen stehen. “Wir brauchen Steuersenkungen für Unternehmen und Bürger, einen spürbaren Rückbau der lähmenden Bürokratie, die Senkung der Energiepreise und eine Stabilisierung der Kosten für die sozialen Sicherungssysteme.”

Der von Trump ausgelöste Handelskrieg macht eine erneute Rezession in Deutschland wahrscheinlicher. “In der kurzen Frist wird sich die neue Bundesregierung schwertun, den unmittelbaren Handelsschock abzufedern”, schrieben die Ökonomen Marc Schattenberg und Robin Winkler von Deutsche Bank Research in einer Analyse. Die bisherige Wachstumsprognose von 0,3 Prozent für 2025 könnte sich als zu optimistisch herausstellen, falls sich die US-Zölle als dauerhaft erweisen sollten. “Insgesamt neigen sich die Konjunkturrisiken für 2025 in Richtung eines dritten Rezessionsjahres in Folge.” Europas größte Volkswirtschaft ist bereits 2023 um 0,3 Prozent geschrumpft, 2024 um weitere 0,2 Prozent.

Der deutsche Außenhandelsverband BGA will seine ohnehin geringen Exporterwartungen für das laufende Jahr senken. “Unsere Prognose von minus 2,7 Prozent war schon historisch düster, wir werden sie im Laufe der nächsten Wochen aber noch deutlich nach unten korrigieren”, sagte BGA-Präsident Dirk Jandura zu Reuters. “Auch wenn Verhandlungen mit den USA noch im Raum stehen, werden die Folgen dieses Handelskriegs, den die USA begonnen haben, zu einem Einbruch des Wirtschaftswachstums, höherer Inflation und Arbeitsplatzverlusten in den USA und Europa führen.”

(Mitarbeit von Andreas Rinke und Zuzanna Szymanska, redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)

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