Ökonomen: Zollstreit kostet Deutschland Wachstum und Jobs

Berlin (Reuters) – Der von US-Präsident Donald Trump ausgehende weltweite Handelskonflikt kann laut Ökonomen Zehntausende Arbeitsplätze in Deutschland kosten.

Zu diesem Ergebnis kommen das IAB-Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit (BA), das Bundesinstitut für Berufsbildung und die Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung in einer Reuters am Freitag vorliegenden Studie. “Transformationskrise und jetzt auch noch Handelskrise, für die Industrie ist das ein Nackenschlag”, sagte Enzo Weber vom IAB zu Reuters. Europa müsse in die Vorwärtsverteidigung gehen. “Freihandel mit dem Rest der Welt”, schlug Weber vor. “Eine Halbierung der Zollsätze würde zwei Drittel der Exportverluste kompensieren.”

Die negativen Auswirkungen für Deutschland ergeben sich laut Weber über direkte Exportausfälle, eine Abschwächung der Weltwirtschaft und Folgewirkungen mit geringerer Investitions- und Konsumnachfrage. “In Deutschland würde ein Jahr nach Inkrafttreten der Zölle das Bruttoinlandsprodukt um 1,2 Prozent niedriger liegen”, heißt es in der Studie im Vergleich zu einer Wirtschaftsentwicklung ohne zusätzliche Zölle. Die Zahl der Erwerbstätigen wäre demnach um 90.000 geringer.

Der eskalierende Zollkonflikt bedroht auch die deutsche Wirtschaft. Dem arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) zufolge dürfte das Bruttoinlandsprodukt im Durchschnitt der Jahre 2025 bis 2028 um 1,1 Prozent geringer ausfallen als in einem Szenario ohne neue Zölle. In dieser Simulation ist bereits die jüngste Gegenmaßnahme Chinas berücksichtigt: Die Volksrepublik kündigte am Freitag einen Zoll von 125 Prozent auf US-Waren an. Zuvor hatten die Vereinigten Staaten ihren Zollsatz für Produkte aus der Volksrepublik auf 145 Prozent heraufgesetzt.

“NICHT IN SICHERHEIT WIEGEN”

“Wir dürfen uns in der Zollpause im amerikanisch-europäischen Handelsstreit nicht in Sicherheit wägen”, sagte IW-Handelsexpertin Galina Kolev-Schaefer. “Der Konflikt zwischen den USA und China tobt weiter, das hat auch für die Europäische Union handfeste Konsequenzen.” Handelskonflikte zwischen Großmächten seien keine bilateralen Angelegenheiten, sondern ein globales Risiko. “Auf der Suche nach neuen Absatzmärkten könnten chinesische Produkte jetzt die restliche Welt überschwemmen”, warnte Kolev-Schaefer. “Das deutsche Exportgeschäft wird damit deutlich schwieriger.” Auch die globale Unsicherheit nehme weiter zu, ein Ende des Handelskriegs sei jedenfalls noch nicht absehbar.

Das IAB legt für seine Annahmen pauschale Zollerhöhungen in Höhe von 25 Prozentpunkten zugrunde für Importe in die USA aus China, Mexiko, Kanada und Europa. In einem zweiten Szenario werden neben den Zollerhöhungen der USA auch Gegenreaktionen der Europäischen Union (EU), Chinas, Kanadas und Mexikos von jeweils 25 Prozent auf US-Importe berücksichtigt. Im ersten Szenario ohne Gegenmaßnahmen wäre demnach ein Verlust beim deutschen Bruttoinlandsprodukt von 1,4 Prozent zu erwarten.

Eine Verringerung der Exportverluste Deutschlands durch höhere US-Zölle könnte laut Studie durch höhere Exporte in andere Länder erreicht werden. Dafür seien aber “erhebliche Anstrengungen erforderlich”. Eine Verringerung der Einfuhrzölle um 50 Prozent zwischen Deutschland und den großen Handelspartnern könne die Exportverluste Deutschlands aber nicht vollständig kompensieren. Dennoch könne sich der Abschluss oder Ausbau von Freihandelsabkommen positiv auf das deutsche Handelsvolumen auswirken. Es gelte, neue Geschäftsfelder zu besetzen und neue Märkte zu erschließen, sagte Weber: “Heimische Wertschöpfung in der Transformation aufbauen. Und gleichzeitig verhandeln – Zeit spielt eine Rolle, denn die Unsicherheit ist genauso hoch wie schädlich.”

(Bericht von Holger Hansen und Rene Wagner, redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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