Zollstreit setzt Europas Börsen weiter zu – Gold auf Rekordhoch

– von Hakan Ersen

Frankfurt (Reuters) – Die Furcht vor einer weltweiten Rezession hat der kurzzeitigen Erholung der europäischen Börsen am Freitag ein vorläufiges Ende gesetzt.

Neben der sich weiter drehenden Spirale aus US-Zöllen und chinesischen Gegenzöllen bereitete Anlegern der Vertrauensverlust in die US-Wirtschaft Sorgen. Sie flüchteten daher erneut in “sichere Häfen” wie Gold oder den Schweizer Franken.

Die Regierung in Peking setzte die Abgaben auf Einfuhren aus den USA auf 125 Prozent, nachdem US-Präsident Donald Trump die Zölle auf Waren aus der Volksrepublik zuvor auf 145 Prozent geschraubt hatte. “Kommen hier beide Parteien nicht bald an den Verhandlungstisch, dürfte der Handel zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt beinahe zum Erliegen kommen”, warnte Anlagestratege Jürgen Molnar vom Brokerhaus RoboMarkets. Außerdem sei unklar, wie es mit aktuell nur ausgesetzten US-Zöllen auf Einfuhren aus dem Rest der Welt weitergehe.

AKTIEN, DOLLAR UND US-ANLEIHEN AUF TALFAHRT

Am Aktienmarkt ging es daher nach dem Kursfeuerwerk vom Mittwoch beziehungsweise Donnerstag wieder abwärts. Dax und EuroStoxx50 verloren nach anfänglichen Gewinnen bis Freitagmittag jeweils etwa ein Prozent auf 20.310 beziehungsweise 4776 Punkte. Die Terminkontrakte auf die US-Indizes deuteten auf eine Fortsetzung der Talfahrt an der Wall Street hin.

Gleichzeitig fiel der Dollar-Index, der den Kurs zu wichtigen Währungen widerspiegelt, auf ein Drei-Jahres-Tief von 99,015 Punkten. Aus US-Staatsanleihen zogen sich Investoren ebenfalls zurück. Dadurch stieg die Rendite der zehnjährigen Bonds auf 4,411 Prozent. “Es gibt eindeutig einen Exodus aus US-Wertpapieren”, sagte Analyst Kyle Rodda vom Brokerhaus Capital.com. “Das geht über das Einpreisen eines verlangsamten Wirtschaftswachstums und der Verunsicherung über die Entwicklung des Handels hinaus.”

“SICHERE HÄFEN” STEHEN HOCH IM KURS

Einer der Profiteure dieser Entwicklung war Gold. Der Preis für das Edelmetall stieg um bis zu 1,8 Prozent auf ein Rekordhoch von 3229,56 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm). Die nächste Station sei die Marke von 3500 Dollar, prognostizierte Experte Rodda. “Ich glaube aber nicht, dass wir sie unmittelbar und ohne Rückschläge erreichen werden.” Der Goldpreis war Mitte März erstmals in seiner Geschichte über 3000 Dollar geklettert.

Einige Investoren flüchteten in die Schweizer Währung, die mit 1,2327 Dollar den höchsten Stand seit gut zehn Jahren erreichte. “Die Schweizer Nationalbank befindet sich in einer heiklen Lage”, erläuterte Commerzbank-Analyst Michael Pfister. “Sie würde wohl gerne intervenieren, aktuell ist das aber sehr schwierig.” An einer Aufwertung des Franken habe sie kein Interesse, weil dies die Gefahr einer Deflation erhöhe – einer Spirale fallender Preise und rückläufiger Investitionen.

AUSBLICKE SIND DAS A UND O DER BILANZSAISON

Am deutschen Aktienmarkt konnten sich Gerresheimer und Schott Pharma dem aktuellen Abwärtstrend entziehen. Die Aktien der beiden Verpackungsspezialisten stiegen in der Spitze um 5,5 beziehungsweise 13,5 Prozent. Die Papiere von Schott Pharma steuerten damit auf den größten Tagesgewinn der Firmengeschichte zu. Anleger seien erleichtert, dass die Unternehmen ihre Ausblicke bekräftigt haben, sagte ein Börsianer. Wegen der Zoll-Turbulenzen hätten sie eine Kürzung der Geschäftsziele befürchtet. Außerdem seien die vorgelegten Quartalszahlen teilweise besser ausgefallen als erwartet.

Bei den anstehenden Geschäftszahlen von JPMorgan, Morgan Stanley und Wells Fargo stünden die Ausblicke ebenfalls im Mittelpunkt, betonte RoboMarkets-Experte Molnar. “Insgesamt ist davon auszugehen, dass die Banken für die ersten drei Monate des Jahres sehr gute Ergebnisse vorlegen werden.” Ihre Wachstumsziele würden sie aber sicher herunterschrauben.

(Bericht von Hakan Ersen. Redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com)

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