Kiew (Reuters) – Beim folgenschwersten Raketenangriff auf die Ukraine in diesem Jahr sind in der Großstadt Sumy im Nordosten des Landes 34 Menschen getötet worden.
Weitere 117 Personen wurden verletzt, als zwei Geschosse am Sonntagmorgen mitten im Stadtzentrum einschlugen. Eine Woche vor Ostern, das in diesem Jahr in östlichen und westlichen Kirchen auf dasselbe Datum fällt, waren am Palmsonntag auch viele Kirchgänger unterwegs. Innenminister Ihor Klymenko sprach von einer “vorsätzlichen Tötung von Zivilisten an einem wichtigen kirchlichen Feiertag”. Die Opfer hätten sich zum Zeitpunkt des Angriffs auf der Straße, in Autos, öffentlichen Verkehrsmitteln und Gebäuden aufgehalten.
Präsident Wolodymyr Selenskyj verurteilte den russischen Angriff mit ballistischen Raketen als Tat von “Schurken” und forderte eine harte internationale Reaktion. In einem Interview mit dem US-Sender CBS News bat Selenskyj US-Präsident Donald Trump um einen Besuch in der Ukraine. “Bitte kommen Sie, um Menschen zu sehen, Zivilisten, Kämpfer, Krankenhäuser, Kirchen, Kinder, vernichtet oder tot”, sagte Selenskyj.
Von russischer Seite lag zunächst keine Stellungnahme vor. Russland bestreitet zwar, Zivilisten ins Visier zunehmen. Jedoch hat das russische Militär seit Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine vor gut drei Jahren in dem Nachbarland Tausende Zivilisten getötet oder verletzt.
US-Außenminister Marco Rubio erklärte, der Angriff sei eine “tragische Erinnerung daran, warum Präsident Trump und seine Regierung so viel Zeit und Mühe investieren, um diesen Krieg zu beenden.”
“Deutschland verurteilt diesen barbarischen Angriff auf das Schärfste”, schrieb Bundeskanzler Olaf Scholz auf X. “Solche russischen Angriffe zeigen, wie es um die angebliche russische Friedensbereitschaft bestellt ist. Wir sehen stattdessen, dass Russland seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine erbarmungslos fortsetzt.”
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wertete die Attacke als Beleg dafür, dass Russland seine Verachtung für das Völkerrecht und die diplomatischen Bemühungen von US-Präsident Trump zeige. “Um Russland einen Waffenstillstand aufzuzwingen, sind energische Maßnahmen erforderlich. Frankreich arbeitet unermüdlich an der Seite seiner Partner auf dieses Ziel hin”, erklärte er auf X.
Der Leiter des ukrainischen Zentrums zur Bekämpfung von Desinformation, Andrij Kowalenko, kritisierte, dass es nach dem Besuch des US-Sondergesandten Steve Witkoff in Russland zu der Attacke gekommen sei: “Russland baut diese ganze sogenannte Diplomatie … auf Angriffen auf Zivilisten auf”, schrieb er auf dem Kurznachrichtendienst Telegram.
Witkoff führte am Freitag in Sankt Petersburg Gespräche mit Präsident Wladimir Putin über Wege zu einem Friedensabkommen für die Ukraine. US-Präsident Trump hat Russland zur Eile gemahnt. Moskau sieht die Beziehungen zu den USA derweil auf einem guten Weg. Sie entwickelten sich sehr gut, sagte Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow. Es sei allerdings eine sehr schwierige Aufgabe, die Beziehungen von Grund auf neu zu beleben, die unter der vorherigen US-Regierung schweren Schaden genommen hätten. Dies erfordere sehr intensive diplomatische und andere Anstrengungen.
Trump strebt eine Normalisierung der Beziehungen zu Moskau an, knüpft dies aber an Fortschritte bei einer Friedenslösung für die von Russland angegriffene Ukraine. Er hat anders als sein Vorgänger Joe Biden den direkten Draht zur russischen Regierung gesucht, die im Westen als weitgehend isoliert gilt. Europäische Staats- und Regierungschefs sowie die Ukraine sehen die russische Invasion vom Februar 2022 als imperialistische Landnahme. Viele Beobachter haben Trump vorgeworfen, über die Köpfe der Ukraine hinweg zu sehr auf Putin einzugehen.
Nach dem Angriff auf Sumy forderte Selenskyj die USA und Europa auf, gegenüber Moskau hart zu reagieren: “Russland will genau diese Art von Terror und zieht diesen Krieg in die Länge. Ohne Druck auf den Aggressor ist Frieden unmöglich. Gespräche haben den Einsatz ballistischer Raketen und Fliegerbomben nie gestoppt.”
(Bericht von Max Hunder, geschrieben von Reinhard Becker, redigiert von Christian Rüttger und Jörn Poltz.; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)