Studie: KI-Analyse der EZB-Kommunikation verbessert Zinsprognose

Berlin (Reuters) – Durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) lässt sich einer Studie zufolge der geldpolitische Kurs der Europäischen Zentralbank (EZB) genauer vorhersagen.

Die Prognosegenauigkeit für Zinsveränderungen lasse sich dadurch von rund 70 auf 80 Prozent erhöhen, geht aus der Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hervor. Diese lag der Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag vor.

Die Berliner Forscherinnen und Forscher haben dafür die Kommunikation der EZB von Januar 2019 bis März 2025 ausgewertet, und zwar mit Hilfe eines speziell trainierten Textanalysemodells basierend auf künstlicher Intelligenz. Dafür wurden offizielle geldpolitische Stellungnahmen untersucht. “Das Programm nimmt sich jeden Satz dieser Stellungnahmen einzeln vor und analysiert, ob er ein Signal für eine restriktive, eine expansive oder eine neutrale Geldpolitik ist”, erläuterte DIW-Expertin Kerstin Bernoth das Vorgehen.

Der Indikator zeigt demnach eine signifikante Vorhersagekraft für zukünftige Zinsentscheidungen. In einem erweiterten Prognosemodell – das auch Inflation, wirtschaftspolitische Unsicherheit und den vorherigen Zinskurs berücksichtigt – steigt die Prognosegenauigkeit für Zinsveränderungen demnach von rund 70 auf 80 Prozent. So habe das Modell elf der letzten 14 Zinsentscheidungen korrekt antizipiert – im Vergleich zu zehn Treffern ohne Einbeziehung der EZB-Kommunikation.

“Zentralbanken setzen Sprache als geldpolitisches Instrument ein”, sagte Studienautorin Bernoth. “Die Wortwahl in Reden, Pressemitteilungen oder Interviews ist nie zufällig, sondern ganz genau überlegt und erlaubt Schlüsse über die zukünftige geldpolitische Ausrichtung.” Die KI-gestützte Analyse könne die Prognosegenauigkeit deutlich verbessern, lautet das Fazit des DIW.

Für die bevorstehende Ratssitzung an diesem Donnerstag signalisiert das Prognosemodell eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine weitere Zinssenkung – trotz der jüngst wieder neutraleren Tonlage. Grund dafür sei vor allem die schwächelnde Konjunktur und eine kontinuierlich rückläufige Inflation, die sich zuletzt im Bereich der Zielmarke der EZB bewegt habe. Die Prognose sei jedoch mit einer gewissen Unsicherheit verbunden. “In den letzten Wochen gab es für die Geldpolitik wichtige Ereignisse, etwa die Ankündigung der Sondervermögen und die Einführung von Zöllen durch US-Präsident Donald Trump”, sagte Bernoth. “Diese konnten vom Prognosemodell noch nicht berücksichtigt werden.” Eine Pause in der geldpolitischen Lockerung könne nötig sein, um die Auswirkungen dieser Ereignisse sorgfältig zu bewerten.

(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Kerstin Dörr – Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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