Hohe Unsicherheit durch Zollkonflikt macht EZB-Währungshütern zu schaffen

Washington (Reuters) – Die große Unsicherheit über die Entwicklung im Zollstreit mit den USA treibt die Währungshüter der Europäischen Zentralbank (EZB) um.

Laut Bundesbank-Präsident Joachim Nagel kann die EZB deshalb ihren Kurs nur von Sitzung zu Sitzung festlegen. “Der Sitzung-zu-Sitzungs-Ansatz ist angeratener denn je, gerade in dieser Unsicherheit”, sagte er am Donnerstag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Finanzminister Jörg Kukies in Washington. Aus Sicht von EZB-Chefvolkswirt Philip Lane gibt es allerdings nicht den einen richtigen Weg, um geldpolitisch mit ökonomischer Unsicherheit umzugehen. Die nächste EZB-Zinssitzung ist für den 4.und 5. Juni in Frankfurt geplant.

Nagel zufolge ist die Situation aus geldpolitischer Sicht relativ ungemütlich. “Weil eigentlich, die Kernbotschaft, die ist gut.” Denn ihr Inflationsziel von 2,0 Prozent werde die EZB wohl im Laufe des Jahres erreichen. Im März lag die Teuerungsrate mit 2,2 Prozent nicht mehr weit davon entfernt. Nagel wies aber darauf hin, dass der Zollkonflikt das Wachstum in der Euro-Zone und in Europa signifikant dämpfen könnte. In Deutschland ist aus seiner Sicht sogar eine leichte Rezession in diesem Jahr nicht auszuschließen.

Laut EZB-Chefökonom Lane könnte die EZB die Zinsen je nach Situation langsamer oder auch schneller senken. “Wenn man sagt, Unsicherheit bedeutet, langsamer oder in kleineren Schritten vorzugehen, dann stimmt das manchmal”, sagte er am Donnerstag auf einer Konferenz des Peterson Institute for International Economics (PII) in Washington. In anderen Situationen müsse man, um mit der Unsicherheit umzugehen, dagegen große Schritte gehen. Es sei daher sehr wichtig sagen zu können, dass die Grundlinie nicht die einzige Orientierung biete. Bislang hat die EZB seit Mitte 2024 die Zinsen sieben Mal gesenkt – und zwar jeweils um einen viertel Prozentpunkt. Der letzte Schritt nach unten erfolgte vergangene Woche, wodurch der Leitzins – der Einlagensatz – nunmehr bei 2,25 Prozent liegt.

LANE – KEINE ANLEIHENKÄUFE

Anleihenkäufe kommen für die EZB Lane zufolge derzeit nicht in Betracht. Die EZB besitze immer noch genügend Spielraum, die Zinsen nach unten zu setzen, sagte er. Anleihenkäufe, gezielte längerfristige große Kreditspritzen für Banken, konkrete Zinsprognosen und Negativzinsen lägen zwar im Werkzeugkasten der Notenbank. “Aber man benutzt sie nur, wenn es keinen Spielraum mehr gibt beim Leitzins.” Die EZB sei aber noch weit von der Zinsuntergrenze entfernt.

Auch Finnlands Notenbankchef Olli Rehn schließt einen größeren Zinsschritt nicht aus, wie er der Agentur Bloomberg am Donnerstag sagte. “Wenn im Juni vorausgesagt wird, dass die Inflation unter unser mittelfristiges Inflationsziel von zwei Prozent fällt, dann ist die richtige Reaktion, die Zinsen weiter zu senken”, sagte er. Den Währungshütern werden zu ihrer Juni-Zinssitzung neue Inflations- und Konjunkturprognosen der Notenbank-Volkswirte vorliegen. Die Möglichkeit einer stärkeren Zinssenkung um 0,50 Prozentpunkte hänge von den mittelfristigen Inflationsaussichten ab und davon, ob sich die Wachstumsperspektiven verbessern oder verschlechtern, sagte Rehn.

Unterdessen sprach sich Österreichs Notenbankchef Robert Holzmann dafür aus, solange am aktuellen Leitzinsniveau festzuhalten, bis es mehr Klarheit gibt bezüglich der US-Zölle und der Gegenmaßnahmen der EU, wie er am Donnerstag dem Sender CNBC in Washington sagte. “Wenn die Unsicherheit nicht im Zuge der richtigen Entscheidungen nachlässt, müssen wir eine Reihe unserer Entscheidungen zurückhalten,” sagte Holzmann dem Sender. “Und daher wissen wir noch nicht in welche Richtung sich die Geldpolitik am besten bewegen sollte.”

(Bericht von Frank Siebelt, Chandni Shah, Francesco Canepa; Redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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