Ifo-Index steigt – “Wirtschaft stemmt sich gegen Rezession”

– von Klaus Lauer und Rene Wagner und Frank Siebelt

Berlin (Reuters) – Die Stimmung in den Chefetagen der Unternehmen in Deutschland hat sich trotz des Zollstreits überraschend verbessert.

Der Ifo-Geschäftsklimaindex als wichtigstes Barometer für die deutsche Konjunktur stieg im April leicht auf 86,9 Punkte, nach 86,7 Zählern im März und damit das vierte Mal in Folge, wie das Münchner Ifo-Institut am Donnerstag zu seiner Umfrage unter rund 9000 Managerinnen und Managern mitteilte. Das ist der beste Wert seit Juli 2024. Ökonomen hatten hingegen mit einem Rückgang auf 85,2 Punkte gerechnet. Die Firmen zeigten sich weniger skeptisch bei der aktuellen Lage, blickten aber etwas pessimistischer auf ihr künftiges Geschäft. “Die Unsicherheit unter den Unternehmen hat zugenommen”, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. “Die deutsche Wirtschaft stellt sich auf Turbulenzen ein.”

Die überraschende Stimmungsaufhellung ist dem Ifo-Institut zufolge allein den Dienstleistern und der Baubranche zu verdanken. “Alles, was mit Außenhandel zu tun hat, zeigt hingegen deutlich nach unten”, sagte Ifo-Umfragechef Klaus Wohlrabe der Nachrichtenagentur Reuters. So seien die Geschäftserwartungen in der Industrie eingebrochen, ebenso die Exporterwartungen der Unternehmen. “Das ist ganz klar auf den Zollkrieg zurückzuführen”, erklärte Wohlrabe. Der Pessimismus der Exporteure sei deutlich gestiegen. Der Ökonom betonte aber auch: “Die deutsche Wirtschaft stemmt sich gegen die Rezession.”

Die scheidende Bundesregierung rechnet für dieses Jahr nur noch mit einer Stagnation und nächstes Jahr mit einem Wachstum von 1,0 Prozent, wie aus ihrer Frühjahrsprojektion hervorgeht. Bisher war mit 0,3 und 1,1 Prozent kalkuliert worden. Der amtierende Wirtschaftsminister Robert Habeck sagte bei der Vorstellung der Prognose in Berlin, der Handelskrieg dürfte das Wachstum um 0,25 bis 0,5 Prozentpunkte drücken. Dem wirkten aber nächstes Jahr positive Effekte entgegen, etwa durch die milliardenschweren Investitionen in die Infrastruktur. Dies sei schuldenfinanziertes Wachstum. “Das, was sie nie wollten, kriegen sie jetzt”, sagte Habeck mit Blick auf die Union, die dies im Wahlkampf noch strikt abgelehnt hatte.

ZOLLSTREIT KÖNNTE FÜR DRITTES REZESSIONSJAHR IN FOLGE SORGEN

US-Präsident Donald Trump hatte am 2. April hohe Strafzölle auf Importe aus der Europäischen Union verkündet, diese wenig später aber teilweise wieder ausgesetzt. Die Zoll-Ankündigungen von Trump für fast alle weltweiten Handelspartner haben Sorgen vor negativen Auswirkungen auf den globalen Warenaustausch geschürt. Dies dürfte auch die exportorientierte deutsche Wirtschaft zu spüren bekommen, signalisierte Bundesbank-Präsident Joachim Nagel. “Es ist nicht überraschend, dass wir für dieses Jahr nun eine Stagnation, möglicherweise sogar eine leichte Rezession erwarten”, sagte Nagel im Reuters-Interview am Rande der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank in Washington. Damit würde das Bruttoinlandsprodukt das dritte Jahr in Folge sinken – so etwas hat es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie gegeben. “Insgesamt sind die Unsicherheitsfaktoren in der Wirtschaft sehr hoch, und das führt zu diesem Wachstumsrückgang”, sagte Nagel. Investitionen und Konsum verzögerten sich wegen der hohen Unsicherheit, sagte Bundesfinanzminister Jörg Kukies in Washington. Es bestehe die Gefahr, dass sich die Konjunktur weiter verschlechtere.

Die Bundesbank rechnet für das erste Halbjahr mit einem Auf und Ab der Konjunktur. “Die Wirtschaftsleistung in Deutschland dürfte sich im ersten Quartal 2025 leicht erhöht haben, könnte im zweiten Quartal aber einen Rückschlag erleiden”, heißt es im Monatsbericht. Die konjunkturelle Grundtendenz bleibe “insgesamt weiter schwach”. Mitverantwortlich dafür dürften Trumps Zölle sein. “Insgesamt bleibt der kurzfristige Ausblick für das Exportgeschäft und die Industrie angesichts der Zollpolitik der US-Regierung trüb”, betonte die Bundesbank.

WENIGER UMSATZ, WENIGER INVESTITIONEN – FIRMEN “VERZWEIFELT”

Das Statistische Bundesamt veröffentlicht am Mittwoch eine erste Schätzung für das Bruttoinlandsprodukt für Januar bis März. Ende 2024 war Europas größte Volkswirtschaft noch um 0,2 Prozent geschrumpft. Bei zwei Minus-Quartalen in Folge sprechen Fachleute von einer technischen Rezession.

Die Unternehmen blickten alles andere als zuversichtlich in die Zukunft, sagte Chefvolkswirt Alexander Krüger von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. Neben der Unsicherheit durch den Zollstreit sei auch die Unterstützung seitens der kommenden Bundesregierung spärlich. “Der Koalitionsvertrag gibt jedenfalls kein Signal für ein ‘Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt’.”

Auch die Stimmung im Mittelstand bleibt im laufenden Frühjahr gedrückt, wie eine Umfrage unter rund 1200 Unternehmen der Wirtschaftsauskunftei Creditreform zeigt. Bereits zum dritten Mal in Folge – und zum vierten Mal in fünf Jahren – überwiege bei der Bewertung der Geschäftslage die negative Einschätzung. “Fünf Jahre nach Pandemie-Beginn und viele Krisen später ist ein Großteil der Unternehmen in Deutschland geradezu verzweifelt”, sagte Creditreform-Chefökonom Patrik-Ludwig Hantzsch.

(Weitere Reporterin: Maria Martinez und Christian Krämer, redigiert von Kerstin Dörr – Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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