Dokumente zeigen US-europäischen Zwist über Ukraine-Friedenspläne

London/Moskau (Reuters) – Im Ringen über einen Frieden für die Ukraine offenbaren von Reuters eingesehene Dokumente wesentliche Differenzen der USA einerseits und europäischer Staaten einschließlich der Ukraine andererseits.

Führende europäische Staaten haben gemeinsam mit dem von Russland angegriffenen Land in dieser Woche nach Reuters-Informationen einen Gegenvorschlag zu dem US-Friedensplan unterbreitet. Wie aus den von Reuters eingesehenen Vorschlägen beider Seiten hervorgeht, gibt es kontroverse Vorstellungen etwa über die Kontrolle der von Russland besetzten Gebiete, die Diskussion über eine Aufhebung von Sanktionen gegen Russland, die Frage eher vager oder spezifischer Sicherheitsgarantien in Falle eines Waffenstillstands sowie die Größe des ukrainischen Militärs.

Die Vorschläge beruhen auf den gemeinsamen Beratungen zwischen Vertretern der USA, europäischer Staaten und der Ukraine in Paris am 17. und London am 23. April. Den US-Vorschlag legte der US-Sonderbeauftragte Steve Witkoff in Paris vor. US-Außenminister Marco Rubio sprach von einem groben Rahmen, um die Unterschiede auszumachen. Der zweite Text entstand Insidern zufolge in London bei Beratungen der ukrainischen und europäischen Seite, darunter Vertreter Frankreichs, Großbritanniens und Deutschlands.

Unterdessen trieb Witkoff am Freitag die Bemühungen um eine Durchsetzung der US-Vorstellungen mit einem erneuten Besuch beim russischen Präsidenten Wladimir Putin voran. Ein dreistündiges Gespräch habe zu einer Annäherung der Positionen beider Seiten geführt, erklärte das russische Präsidialamt nach dem Treffen. “Dieses Gespräch hat es Russland und den Vereinigten Staaten ermöglicht, ihre Positionen weiter anzunähern, nicht nur in Bezug auf die Ukraine, sondern auch in einer Reihe anderer internationaler Fragen”, bilanzierte der außenpolitische Berater des Kremls, Juri Uschakow. In Bezug auf die Ukraine habe man die Möglichkeit einer Wiederaufnahme direkter Verhandlungen zwischen Vertretern Russlands und der Ukraine erörtert.

Im Witkoff-Papier wird die De-jure-Anerkennung der russischen Kontrolle über die bereits 2014 von Russland annektierte ukrainische Halbinsel Krim gefordert. Zudem soll die De-facto-Kontrolle Russlands über die im 2022 begonnenen Krieg besetzten Territorien im Osten und Süden der Ukraine akzeptiert werden.

Der europäische Vorschlag enthält keinerlei Anerkennung russischer Kontrolle über ukrainisches Gebiet. Vielmehr soll über diese Frage detailliert beraten werden, sobald es einen Waffenstillstand gibt.

US-PAPIER: UKRAINE SOLL NICHT IN DIE NATO

In der Frage der langfristigen Sicherheit der Ukraine schlagen die USA vor, dass die Ukraine eine “robuste Sicherheitsgarantie” seitens europäischer und anderer befreundeter Staaten erhalten soll. Einzelheiten werden hier nicht genannt. Weiter heißt es, die Ukraine werde nicht länger nach einer Nato-Mitgliedschaft streben – dies ist eine Kernforderung Russlands.

Das Papier der Europäer und Ukraine ist hier genauer. Danach soll es weder eine Begrenzung für das ukrainische Militär noch für die Stationierung von Truppen der Verbündeten der Ukraine auf ukrainischem Territorium geben – dies lehnt die russische Seite ab. Zudem ist von einer “robusten Sicherheitsgarantie” für die Ukraine auch durch die USA die Rede – mit einer Vereinbarung ähnlich der Beistandsverpflichtung nach Artikel 5 des Nato-Vertrags.

Das Witkoff-Papier schlägt die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland vor, die seit der Krim-Annexion verhängt wurden.

Der europäisch-ukrainische Vorschlag sieht eine schrittweise Lockerung der Sanktionen vor, sobald ein nachhaltiger Frieden erreicht ist. Die Strafmaßnahmen können demnach aber wieder verhängt werden, sollte Russland den Frieden brechen.

Das europäisch-ukrainische Dokument schlägt zudem vor, dass die Ukraine finanzielle Entschädigungen für Kriegsschäden aus eingefrorenen russischen Vermögenswerten im Ausland erhält. Im Witkoff-Text heißt es lediglich, dass die Ukraine finanziell entschädigt wird, ohne jedoch die Herkunft des Geldes zu nennen.

(Reuters-Bericht; geschrieben von Sabine Ehrhardt und Jörn Poltz.; Redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)

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