Industrie mit unerwartet vielen Aufträgen – “Vorzieheffekte auf US-Zölle”

Berlin (Reuters) – Die deutsche Industrie hat im März ihr Neugeschäft überraschend kräftig gesteigert – womöglich auch wegen der Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump.

Eine rasche Trendwende zum Besseren erwarten Wirtschaft und Experten aber nicht. Die Aufträge kletterten um 3,6 Prozent zum Vormonat und damit so stark wie seit Dezember nicht mehr, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte. Ökonomen hatten nur mit plus 1,3 Prozent gerechnet. Im Februar hatte es eine Stagnation gegeben und im Januar einen Einbruch von 5,5 Prozent. “Das Orderplus im März dürfte zum Teil auf Vorzieheffekte als Reaktion auf die angekündigten US-Zollerhöhungen zurückzuführen sein”, erklärte das Bundeswirtschaftsministerium.

Trotz großer Unsicherheit rund um die Handelspolitik und zuletzt gedämpfter Geschäftserwartungen habe sich die Lage in der Industrie Anfang 2025 als insgesamt recht robust erwiesen. “Vor dem Hintergrund der angekündigten und zum Teil temporär ausgesetzten US-Zollerhöhungen und der damit zusammenhängenden pessimistischeren Geschäftsaussichten ist allerdings eine erneute Abschwächung der Industriekonjunktur im weiteren Jahresverlauf nicht auszuschließen”, erklärte das Ministerium.

“Der aktuelle Zuwachs bei den Aufträgen ist erfreulich, aber keine Trendwende”, sagte Konjunkturexperte Jupp Zenzen von der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK). “Die unberechenbare US-Handelspolitik belastet die Weltkonjunktur und damit auch die exportorientierte deutsche Industrie.”

US-ZÖLLE TREFFEN DEUTSCHE AUSLANDS-FIRMEN “MIT VOLLER WUCHT”

Der Auftragszuwachs sei auch eine Gegenbewegung zum schwachen Jahresauftakt, sagte der Chefvolkswirt der Privatbank Hauck Aufhäuser Lampe, Alexander Krüger. “Am Ende hat die Industrie ein dickes Quartalsminus eingefahren.” Der Rückgang lag hier bei 2,3 Prozent zum Schlussquartal 2024. Wegen der weiter schlechten Stimmung deute wenig auf eine Nachfragewende hin, sagte Krüger. “Die Unsicherheit über den Fortgang der US-Zollpolitik dürfte manchen Auftrag zurückhalten – bis zur Fiskal-Bazooka gilt es für Unternehmen, weiter durchzuhalten.” Umso wichtiger sei es, dass die Politik firmenfreundliche Strukturreformen zügig durchsetze.

Der wissenschaftliche Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Sebastian Dullien, erklärte, angesichts der nun höheren US-Zölle sei es durchaus plausibel, “dass ein Teil der Bestellungen aus den Vereinigten Staaten wieder storniert wird”. Zudem seien die Aussichten für die deutsche Industrie vorerst verhalten.

Derweil sehen sich deutsche Unternehmen im Ausland in fast allen Weltregionen verschlechterten Rahmenbedingungen und wachsender Unsicherheit gegenüber. Die Konjunkturerwartungen von rund 4600 deutschen Firmen weltweit sind eingebrochen, wie aus dem World Business Outlook (WBO) der Außenhandelskammern (AHK) hervorgeht. “Die neue Handelspolitik der USA trifft deutsche Unternehmen an ihren Auslandsstandorten mit voller Wucht”, sagte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier. “Die US-Handelspolitik und die internationalen Reaktionen darauf senden Schockwellen durch die Weltwirtschaft – Investoren verlieren das Vertrauen in verlässliche Rahmenbedingungen.” In der Folge würden Investitionen aufgeschoben oder ganz gestrichen.

Dem Ausblick zufolge ist die Stimmung weltweit eingetrübt. Nur noch 19 Prozent der Firmen erwarten eine Verbesserung der örtlichen Konjunktur, nach 27 Prozent im Herbst. Ein Drittel rechnet sogar mit einer Verschlechterung.

Die Industriebestellungen aus dem Inland stiegen im März um 2,0 Prozent und die Auslandsnachfrage um 4,7 Prozent. Dabei kletterten die Aufträge aus der Euro-Zone um 8,0 Prozent und die aus dem Rest der Welt um 2,8 Prozent. Bereinigt um Großaufträge kletterten die Bestellungen insgesamt um 3,2 Prozent.

Wie aus einer Studie der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) hervorgeht, wollen nur 22 Prozent der deutschen Mittelständler ihre Investitionen 2025 erhöhen. Besonders kritisch bewerten die Unternehmen demnach Bürokratie (94 Prozent), Energiepreise (91 Prozent) und Regulierungen (89 Prozent) im internationalen Vergleich.

(Bericht von Klaus Lauer,; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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