Merz und Macron wollen “Neustart für Europa”

– von Andreas Rinke

Paris (Reuters) – Der neue Bundeskanzler Friedrich Merz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wollen die deutsch-französischen Beziehungen weiter ausbauen.

Nötig sei eine noch engere Zusammenarbeit, sagte Merz am Mittwoch bei seinem Antrittsbesuch in Paris. Er habe mit Macron zudem einen “Neustart für Europa” verabredet. Beide betonten die Notwendigkeit, die industrielle Basis in der EU zu stärken und stärker in der Verteidigungspolitik und -industrie zusammenzuarbeiten. Differenzen zeigten sich aber in der Fiskal- und Handelspolitik.

Einen Tag nach seiner Wahl zum Kanzler bei einem zweiten Anlauf im Bundestag reiste Merz am Mittwoch zu Antrittsbesuchen nach Paris und Warschau. Er betonte auf dem Flug nach Frankreich, dass er damit “ein Zeichen nach innen und außen setzen” wolle. “Mir liegen diese beiden Länder sehr am Herzen”, sagte der CDU-Chef. “Das Weimarer Dreieck als gemeinsames Format mit Polen und mit Frankreich ist etwas, was wir stark nutzen sollten”, fügte er hinzu. In Warschau wird er am Nachmittag Ministerpräsident Donald Tusk treffen. Mit beiden steht er aber schon seit Monaten im Austausch.

Macron sprach in Paris von der Notwendigkeit eines neuen “deutsch-französischen Reflexes”. In Europa seien mehr öffentliche Investitionen nötig. Man wolle zusammen mit Deutschland auf Reformen in der EU dringen. Diese seien auch nötig, um eine Benachteiligung der in Frankreich besonders intensiv genutzten Atomenergie zu vermeiden. Merz sagte, man müsse eine stärkere Integration der Finanzmärkte in der EU und besonders zwischen Deutschland und Frankreich erreichen. In der Sicherheitspolitik und Fragen wie etwa der Ukraine solle es eine verstärkte Absprache im 3+3 Format geben, kündigte der Kanzler an. Dieses Format umfasst Kanzler, Präsident sowie die Verteidigungs- und Außenminister beider Länder.

Merz hatte zuvor gesagt, dass er sich generell um eine enge Abstimmung mit Frankreich, Polen und Großbritannien bemühen werde. Der britische Premierminister Keir Starmer “ist wirklich engagiert auf dem Weg zurück nach Europa, Kontinentaleuropa”, sagte der Kanzler auf dem Weg nach Paris. Er betonte aber, dass dies nichts mit einem erneuten EU-Beitritt zu tun habe. Er bemühe sich, mit diesen drei Staaten “ein gutes Auskommen zu haben” und die politischen Positionen gegenüber Russland, der Ukraine und den USA zu koordinieren. Dazu hätten auch die Telefonate gedient, die er bereits im Vorfeld seiner Wahl geführt habe. Merz hat angekündigt, dass er am Donnerstag erstmals mit US-Präsident Donald Trump telefonieren werde.

DIFFERENZEN BEI HANDEL UND FINANZEN

In der traditionell zwischen den beiden größten EU-Volkswirtschaften strittigen Handelspolitik dringt Merz auf mehr Freihandelsabkommen und eine möglichst schnelle Ratifizierung des vorliegenden EU-Mercosur-Handelsabkommens mit südamerikanischen Staaten. Ansonsten verliere die EU ihre Glaubwürdigkeit. Künftig sollten nur noch solche Freihandelsabkommen abgeschlossen werden, die “EU-only” seien. Das bedeutet, dass sie keine Bestandteile enthalten sollen, die neben der Ratifizierung auf EU-Ebene auch noch die Zustimmung nationaler Parlamente erfordert.

Macron betonte dagegen, dass man europäische Unternehmen gegen “unausgewogene Abkommen” schützen müsse. Frankreich verhindert wie einige andere EU-Staaten eine Ratifizierung des Mercosur-Abkommens, weil es Nachteile für die eigene Landwirtschaft fürchtet.

Ähnlich ist es mit Differenzen in der Fiskal- und Schuldenpolitik. Macron lobte die deutschen Beschlüsse etwa zur Aufweichung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben, forderte aber mehr öffentliche Investitionen auf EU-Ebene. “Der Fiskalpakt gilt”, betonte der deutsche Kanzler mit Blick auf die europäische Ebene. Er unterstütze, dass die EU-Kommission ähnliche Ausnahmen erlauben wolle wie dies in Deutschland der Fall sei. “Wir werden aber dabei bleiben, dass es richtig ist, dass jenseits der Verteidigungsausgaben diese Fiskalregeln in der Europäischen Union gelten”, betonte Merz. Denn nur sie schafften finanzpolitische Stabilität und seien ein klares Signal an die Kapitalmärkte, dass die EU sich weiter darum bemühen wolle, die Schuldentragfähigkeit ihrer Mitgliedstaaten nicht zu überfordern.

Auf der Reise wird Merz vom neuen deutschen Außenminister Johann Wadephul begleitet. Auch dieser hob die Bedeutung der Beziehungen zu Frankreich und Polen hervor. “Das ganz große Ziel ist natürlich, dass wir jetzt wirklich die deutsch-französische Achse wieder zum Laufen bekommen, dass wir wieder auch Tempo machen können in Europa, dass wir Ideengeber werden”, sagte der CDU-Politiker. Wadephul nimmt in Warschau dann an einem informellen Treffen der EU-Außenminister teil.

(Mitarbeit: Alexander Ratz; redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

tagreuters.com2025binary_LYNXMPEL460SC-VIEWIMAGE