– von Alexander Hübner
München (Reuters) – Der von den USA angezettelte Zollstreit bremst die Euphorie beim Erlanger Medizintechnikkonzern Siemens Healthineers.
Die geltenden und angekündigten Zölle und Gegenzölle zwischen den USA, China und Europa kosteten die Siemens-Tochter im laufenden Geschäftsjahr 2024/25 (per Ende September) 200 bis 300 Millionen Euro Gewinn, sagte Finanzvorstand Jochen Schmitz am Mittwoch. Siemens Healthineers hält deshalb nun auch einen Gewinnrückgang für möglich, obwohl das zweite Quartal deutlich über den Erwartungen gelegen hatte. Vorstandschef Bernd Montag kritisierte die Zölle und hofft, die US-Regierung zusammen mit anderen Herstellern noch umzustimmen: “Die Gesundheitsbranche ist kein guter Platz für einen Handelskrieg.” Man versuche, das der Politik verständlich zu machen.
“Das ist etwas, was für die Gesundheitsversorgung der Welt keinen Sinn macht, was das System nur teurer macht”, argumentiert Montag. Steigende Preise für MRTs, Labordiagnostik oder Krebs-Bestrahlungen müssten von den – teilweise staatlich finanzierten – Gesundheitssystemen getragen werden. Blieben die Zölle langfristig auf dem erhöhten Niveau, müsse sich Siemens Healthineers überlegen, auf drei statt auf zwei Kontinenten zu produzieren. “Wir haben da durch unsere globale Präsenz viele Möglichkeiten. Aber von solchen Entscheidungen sind wir weit entfernt”, sagte Montag. Die Lage sei noch zu unsicher.
Siemens Healthineers kommt zugute, dass die Zölle nur Waren betreffen, nicht aber Dienstleistungen oder die Reagenzien für die Labore. Damit seien bei Varian und in der Bildgebung nur 55 Prozent des Umsatzes betroffen, in der Diagnostik zehn Prozent. Die USA, wo Präsident Donald Trump hohe Einfuhrzölle gegen viele Länder verhängt hat, und China gehören zu den größten Märkten für Healthineers. In China dämpfen staatliche Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung das Wachstum derzeit ohnehin.
OHNE ZÖLLE PROGNOSE WOHL ERHÖHT
Finanzvorstand Schmitz deutete an, dass Healthineers ohne die Angst vor den Zöllen die Umsatz- und Gewinnprognosen nach oben geschraubt hätte: “Ohne die Veränderungen würden wir heute jeweils vom oberen Ende der Bandbreite sprechen.” So bleibe es bei der Erwartung, dass der Umsatz auf vergleichbarer Basis um fünf bis sechs Prozent zulegt, obwohl die Zölle und andere Handelshemmnisse das Wachstum in der zweiten Jahreshälfte drosseln dürften. Beim Ergebnis je Aktie übersetzt Schmitz die Belastungen in einen negativen Effekt von 15 Cent. Deshalb werde die Spanne auf 2,20 bis 2,50 (Vorjahr: 2,23) Euro verbreitert – bisher lag das untere Ende bei 2,35 Euro. Analysten rechneten im Schnitt bereits mit 2,46 Euro. Die Prognose sei “kaufmännisch vorsichtig”.
Die Healthineers-Aktie fiel um 1,7 Prozent auf 46,70 Euro. Die Konkurrenten GE Healthcare und Philips hatten ihre Prognosen wegen der Zölle gekürzt. Der US-Rivale GE Healthcare sprach von Belastungen von 100 Millionen Dollar im laufenden und 200 Millionen in den nächsten Quartalen. Philips bezifferte die finanziellen Folgen der Zölle auf 250 bis 300 Millionen Euro.
Das abgelaufene zweite Quartal sei “exzellent” gelaufen, sagte Vorstandschef Montag. Der Umsatz stieg auf vergleichbarer Basis um sieben Prozent auf 5,91 Milliarden Euro, getrieben von starken Zuwächsen der Krebsmedizin-Sparte Varian und der Bildgebungs-Sparte (MRT, CT, Röntgen). Das bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) legte sogar um 19 Prozent auf 982 Millionen Euro zu. Die Labor-Sparte Diagnostics verbesserte ihr Ergebnis dank des abgeschlossenen Umbaus dabei deutlich, obwohl das Geschäft weiterhin kaum wuchs. Der Nettogewinn verbesserte sich um ein Viertel auf 537 Millionen Euro.
(Bericht von Alexander Hübner, redigiert von Myria Mildenberger. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)