Berlin (Reuters) – Als Lehre aus der deutschen Verantwortung für den Zweiten Weltkrieg haben Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundestagspräsidentin Julia Klöckner eine entschiedene Unterstützung für die von Russland überfallene Ukraine und den Kampf gegen Antisemitismus angemahnt.
“Wir müssen alles tun, gemeinsam mit unseren europäischen Partnern, um Putins Landnahme aufzuhalten”, sagte Steinmeier am Donnerstag in einer Gedenkstunde des Bundestages zum 80. Jahrestag des Endees des Zweiten Weltkrieges. “Ließen wir die Ukraine schutz- und wehrlos zurück, hieße das, die Lehren des 8. Mai preiszugeben”, fügte er hinzu. Ähnlich äußerte sich Klöckner: “Wer befreit wurde, der ist auch verpflichtet zu verteidigen – die Freiheit.”
Der Bundespräsident machte Russland schwere Vorwürfe, einen imperialistischen Krieg gegen das Nachbarland Ukraine zu führen. Er kritisierte aber auch die Trump-Regierung in den USA scharf: “Es ist nicht weniger als ein doppelter Epochenbruch – der Angriffskrieg Russlands, der Wertebruch Amerikas –, er markiert das Ende des langen 20. Jahrhunderts”, sagte er. Russland gefährde die friedliche Ordnung, die man nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Sieg der Alliierten gegen Nazi-Deutschland aufgebaut habe. “Aber dass sich nun ausgerechnet auch die Vereinigten Staaten, die diese Ordnung maßgeblich geprägt haben, von ihr abwenden, ist eine Erschütterung von ganz neuem Ausmaß”, fügte er hinzu.
Klöckner warf der russischen Führung vor, die militärischen Siegesfeierlichkeiten zum Ende des Zweiten Weltkrieges am Freitag in Moskau seien wegen des Überfalls auf die Ukraine ein “Missbrauch der Geschichte”. Auch Steinmeier sprach von russischen Geschichtslügen. “Der Krieg gegen die Ukraine ist eben keine Fortsetzung des Kampfes gegen den Faschismus”, betonte er.
KRITIK AUCH AN POPULISTEN IN DEUTSCHLAND UND EUROPA
Es gebe insgesamt “eine Faszination des Autoritären und populistische Verlockungen” auch in Europa. Aber man sehe mit Schrecken, “dass selbst die älteste Demokratie der Welt schnell gefährdet sein kann, wenn die Justiz missachtet, die Gewaltenteilung ausgehebelt, die Freiheit der Wissenschaft angegriffen wird”.
Auch in Deutschland erstarkten extremistische Kräfte. “Sie verhöhnen die Institutionen der Demokratie und diejenigen, die sie repräsentieren. Sie vergiften unsere Debatten”, kritisierte Steinmeier. “Sie spielen mit den Sorgen der Menschen. Sie betreiben das Geschäft mit der Angst. Sie hetzen Menschen gegeneinander auf. Sie erwecken alte böse Geister zu neuem Leben.” Wer Gutes für Deutschland wolle, der müsse das Miteinander, den Zusammenhalt und den friedlichen Ausgleich von Interessen schützen. Das erwarte er von allen Demokraten.
Einzelne Parteien nannte der Bundespräsident nicht. Steinmeier kritisierte aber in Anspielung auf einzelne AfD-Politiker, dass es Bestrebungen gebe, sich nicht mehr an die deutsche Verantwortung für die Schrecken der NS-Zeit erinnern zu wollen. “Wer sich der Vergangenheit stellt, der verzichtet nicht auf Zukunft”, mahnte er.
Sowohl Steinmeier als auch Klöckner betonten zudem, dass es wegen der deutschen Verantwortung für den Zweiten Weltkrieg und den Holocaust die Verpflichtung gebe, heute entschieden gegen Antisemitismus vorzugehen. Klöckner erinnerte zudem daran, dass vor allem Frauen Opfer von Kriegen würden, etwa durch sexualisierte Gewalt.
(Bericht von Andreas Rinke; redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)