– von Emma Farge und Olivia Le Poidevin
Genf/Berlin (Reuters) – Die USA und China rüsten im Handelskrieg deutlich ab. Beide Seiten einigten sich auf eine 90-tägige Stillhaltefrist in dem Streit sowie deutlich niedrigere Zollsätze.
US-Finanzminister Scott Bessent sagte am Montag in Genf, nach Verhandlungen mit China würden die gegenseitigen Zölle um 115 Prozentpunkte gesenkt. Die USA würden ihre Zusatzzölle von 145 auf 30 Prozent drücken. Die chinesischen Zölle auf Einfuhren aus den USA sollten von 125 auf zehn Prozent sinken. Die neuen Maßnahmen sind für 90 Tage gültig. An den Börsen sorgte die Entwicklung für Erleichterung und steigende Kurse. Der Dax kletterte auf ein neues Rekordhoch.
US-Präsident Donald Trump, der wichtige Handelspartner seit seinem Wiedereinzug ins Weiße Haus mit hohen Zöllen überzieht, sprach von einem Neustart in den Handelsbeziehungen der beiden weltgrößten Volkswirtschaften. Zum Ende der Woche könnte er mit Chinas Präsident Xi Jinping reden. Er rechne nicht damit, dass die Zölle auf chinesische Waren wieder auf 145 Prozent steigen würden. Gleichwohl seien aber deutliche Steigerungen nicht auszuschließen.
Beide Seiten hätten die Interessen ihrer Länder gut vertreten, sagte Bessent. “Wir haben beide ein Interesse an einem ausgewogenen Handel, die USA werden sich weiter in diese Richtung bewegen.” Die jüngste Spirale aus Zöllen und Gegenzöllen zwischen den beiden weltgrößten Volkswirtschaften hat den gegenseitigen Handel im Wert von fast 600 Milliarden Dollar zum Erliegen gebracht. Zudem wurden Lieferketten großer Konzerne gestört. Bessent sagte, beide Seiten seien gegen eine Entkoppelung. “Wir wollen Handel.” Der Deal mit China beziehe sich nicht auf spezielle Sonderzölle für einzelne Branchen. Die USA streben demnach weiterhin bei Medikamenten, Halbleitern und Stahl eine Veränderung der Märkte an.
Die Verhandlungen in der Schweiz waren die ersten persönlichen Begegnungen zwischen hochrangigen amerikanischen und chinesischen Vertretern seit der Rückkehr von Trump ins Weiße Haus. Der Republikaner will mit den Maßnahmen das riesige Handelsdefizit der USA reduzieren. Im Visier hat er auch die EU. Hier läuft ebenfalls gerade eine 90-tägige Pause, um Zeit für Verhandlungen zu haben.
DAX AUF REKORDHOCH
An den Finanzmärkten sprachen Investoren und Analysten von einem überraschend großen Schritt in die richtige Richtung. An der Börse in Frankfurt kletterte der Dax um bis zu 1,8 Prozent auf 23.911 Zähler und lag damit so hoch wie nie. Damit nahm der deutsche Aktienleitindex auch die psychologisch wichtige 24.000-Punkte-Marke wieder ins Visier. Der Dollar zog zudem gegenüber anderen wichtigen Währungen an.
Der deutsche Außenhandelsverband BGA begrüßte die Annäherung. “Eine Entspannung im Zollkrieg unserer beiden größten Handelspartner bedeutet auch für unsere Händler eine Entschärfung der Lage”, sagte BGA-Präsident Dirk Jandura der Nachrichtenagentur Reuters. Doch auf europäischer Ebene ticke die Uhr. Die EU und die USA müssten vor Ablauf ihrer 90-tägigen Zollpause zu einer Einigung finden. “Aber es darf keine Einigung um jeden Preis geben. Vielmehr müssen wir Europäer uns auf unsere eigene wirtschaftliche Stärke besinnen und auf neue Handelspartner zugehen.”
Ökonomen begrüßen die Vereinbarung ebenfalls. “Ohne diese Pause wäre der direkte Handel zwischen den USA und China nahezu zum Erliegen gekommen”, sagte der Chefvolkswirt der Bank Berenberg, Holger Schmieding. “Das hätten beide Seiten sich nicht lange leisten können. Den USA hätte Stagflation oder sogar eine Rezession bei gleichzeitig steigender Inflation gedroht.” Allerdings gibt es auch Warnungen vor allzu großer Euphorie. “Trotzdem bleibt das Zollniveau höher als zu Jahresanfang und ist ein Deal noch nicht ausgemachte Sache”, sagte ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. “Nur weil das Worst-Case-Szenario nicht eintritt, ist nicht alles gut.”
KLINGBEIL: “UNSERE HAND BLEIBT AUSGESTRECKT”
Deutschland steht laut Bundesfinanzminister Lars Klingbeil hinter dem Vorgehen der EU-Kommission in der Handelspolitik. Die Brüsseler Behörde hat Gegenzölle gegen die USA vorbereitet, sucht aber auch das Gespräch mit der US-Regierung, um möglichst alle Zölle auf null zu senken. “Unsere ausgestreckte Hand bleibt”, so der SPD-Chef in Brüssel vor Beratungen der Euro-Finanzminister. Der Dialog sollte gesucht werden.
Das CDU-geführte Wirtschaftsministerium begrüßte den USA-China-Deal: Die vorübergehende Aussetzung sei gut, weil auch deutsche Unternehmen stark in globale Lieferketten eingebunden seien. “Solche Konflikte schaden am Ende beiden Seiten, es gibt keine Gewinner.”
(Mitarbeit von Rene Wagner und Christian Krämer, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)