Berlin (Reuters) – Die ausländischen Direktinvestitionen in Deutschland sind einer Studie zufolge im vergangenen Jahr auf den niedrigsten Stand seit 2011 eingebrochen.
Die Zahl der Projekte ging um 17 Prozent auf 608 zurück, wie die Unternehmensberatung EY am Donnerstag mitteilte. Dies sei bereits der siebte Rückgang in Folge. “Das ist ein weiteres Alarmsignal für den Standort Deutschland”, sagte der Vorsitzende der Geschäftsführung bei EY, Henrik Ahlers. “Wir werden abgehängt, andere europäische Standorte entwickeln sich deutlich besser.” Seit dem Rekordjahr 2017 sinke die Zahl der Investitionsprojekte in Deutschland kontinuierlich – insgesamt um 46 Prozent. Kein anderer größerer europäischer Standort verzeichne einen derartig starken Rückgang.
“Deutschland hat in den vergangenen Jahren massiv an Attraktivität verloren”, sagte Ahlers. “Während andere europäische Länder ihre Hausaufgaben gemacht haben und beispielsweise die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung vorangetrieben und an ihrer Willkommenskultur für Unternehmen gearbeitet haben, verliert Deutschland an Boden.” Es seien dieselben Themen, die seit Jahren beklagt würden: die hohe Steuerbelastung, hohe Arbeitskosten, teure Energie und gleichzeitig eine lähmende Bürokratie. “Dass Deutschland mit tiefgreifenden strukturellen Herausforderungen und nun auch mit einer nachhaltig schwächelnden Konjunktur zu kämpfen hat, schreckt ausländische Investoren zunehmend ab”, sagte Ahlers.
GRÖSSTER INVESTOR IN OSTEUROPA
Während sich immer weniger ausländische Unternehmen für Deutschland als Investitionsziel entscheiden, zieht es deutsche Unternehmen zunehmend ins europäische Ausland: Die Zahl der Investitionsprojekte deutscher Unternehmen stieg um zwei Prozent auf 633 – nur US-Unternehmen führten mehr Projekte (942) durch. In Osteuropa seien deutsche Unternehmen sogar mit 214 Projekten die größten Investoren.
In Europa insgesamt sind die Investitionen den Angaben nach im vergangenen Jahr das zweite Mal in Folge und auf den niedrigsten Stand seit 2015 gefallen. Die Zahl der Projekte ging um fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf 5383 zurück. Frankreich führt die Rangliste der Länder mit den meisten ausländischen Investitionen an, obwohl die Zahl der Projekte um 14 Prozent auf 1025 eingebrochen ist. Großbritannien landet auf dem zweiten Platz, verzeichnete aber 2024 einen Rückgang von 13 Prozent auf 853. Danach folgt Deutschland auf dem dritten Platz (608).
Die befragten Unternehmen nannten langsames Wirtschaftswachstum, anhaltend hohe Energiepreise und die geopolitische Lage als die drei größten Risiken für ihre Investitionsentscheidungen. Das schreckt offenbar vor allem US-Investoren: Deren angekündigte Projekte in Europa brachen um elf Prozent im Vergleich zu 2023 ein, verglichen mit 2022 sogar um 24 Prozent.
(Bericht von Maria Martinez, Rene Wagner, redigiert von Sabine Ehrhardt – Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)