(neu: von der Leyen, Einzelheiten, Hintergrund)
Brüssel/London (Reuters) – Nach dem folgenlosen Telefonat von US-Präsident Donald Trump mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin haben die Europäische Union und Großbritannien neue Sanktionen gegen die Regierung in Moskau verhängt.
Zugleich warfen führende europäische Politiker Putin am Dienstag vor, auf Zeit zu spielen und kein wirkliches Interesse an einer Waffenruhe in der Ukraine zu haben. Entsprechend äußerten sich Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius, der französische Außenminister Jean-Noël Barrot und die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas am Rande von Beratungen der EU-Staaten in Brüssel. Trump sah von weiteren Sanktionen gegen Russland zunächst ab.
“Wladimir Putin spielt offenbar weiter auf Zeit”, sagte Pistorius vor Beratungen der EU-Außen- und Verteidigungsminister. “Das kann man sehr klar erkennen.” Die andauernden russischen Angriffe gegen die Ukraine “sprechen da eine klare Sprache”. Man müsse Putin an seinen Taten messen und nicht an seinen Worten. “Er ist nach wie vor nicht zu Zugeständnissen bereit”, sagte der SPD-Politiker. Putin würde einer Waffenruhe allenfalls zu seinen bekannten Bedingungen zustimmen. An einem Frieden sei Putin nicht wirklich interessiert, betonte Pistorius. Putin und Trump hatten am Montag telefoniert. Dabei ergab sich nach offizieller Darstellung keine Aussicht auf eine Waffenruhe in der Ukraine.
“KEINE DENKVERBOTE”
Die EU-Außenminister beschlossen bei ihrem Treffen ein 17. Sanktionspaket gegen Russland. Die Strafmaßnahmen richten sich gegen die sogenannte russische “Schattenflotte” von Öltankern, die vor allem in der Ostsee unterwegs sind. Annähernd 200 Schiffe seien davon betroffen, sagte die EU-Außenbeauftragte Kallas. Zudem geahndet werden sollen Menschenrechtsverletzungen und hybride Bedrohungen. Auch die britische Regierung verkündete 100 zusätzliche Sanktionen gegen Russlands Militär-, Energie- und Finanzsektor. Auch Schiffe der Schattenflotte russischer Öltanker seien betroffen.
Bundesaußenminister Johann Wadephul forderte weitere Sanktionen gegen Russland über das 17. Sanktionspaket hinaus. Es dürfe hier “keine Denkverbote” geben, sagte Wadephul bei seiner Ankunft in Brüssel. Solange sich Putin nicht bewege und einer Waffenruhe in der Ukraine zustimme, werde es in Europa “eine große Bereitschaft” geben, weitere Sanktionen gegen Russland zu verhängen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte an, ein 18. Sanktionspaket werde bereits vorbereitet. “Es ist Zeit, den Druck auf Russland zu verstärken, um einen Waffenstillstand herbeizuführen”, schrieb sie auf X.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warf Putin vor, auf Zeit zu spielen, um den Krieg fortzusetzen und weiteres Territorium zu besetzen. Die Ukraine habe keinen Zweifel daran, dass der Krieg am Verhandlungstisch enden müsse. Es müssten jedoch klare und realistische Vorschläge vorgelegt werden. Um Fortschritte zu erzielen, forderte Selenskyj verstärkten internationalen Sanktionsdruck auf Russland.
“HEUCHLERISCHE SPRACHE”
Der britische Außenminister David Lammy verknüpfte die Bekanntgabe der Sanktionen mit der Aufforderung an Putin, sofort einer vollständigen, bedingungslosen Waffenruhe zuzustimmen, “damit Gespräche über einen gerechten und dauerhaften Frieden stattfinden können”. Eine Verzögerung der Friedensbemühungen werde nur Großbritanniens Entschlossenheit verdoppeln, der Ukraine zu helfen und durch Sanktionen “Putins Kriegsmaschinerie einzuschränken”.
Frankreichs Außenminister Barrot bezeichnete Putin als heuchlerisch. “Ich glaube, dass jeder verstanden hat, dass Wladimir Putin seinen kolonialen Krieg bis zum Ende fortführen wird, wenn wir ihn nicht stoppen, während er weiterhin seine heuchlerische Sprache pflegt”, erklärte Barrot. “Drängen wir Wladimir Putin dazu, seine imperialistische Fantasie zu beenden, indem wir wirklich abschreckende EU-Sanktionen verhängen.” Kallas betonte die Notwendigkeit, dass die USA sich der Europäischen Union anschließen müssten, um den Druck auf Russland zu erhöhen.
Nach dem Telefonat am Montag zeigte Trump indes wenig Bereitschaft, den Druck auf Russland zu erhöhen. Dies löste in Europa teils empörte Reaktionen hervor. Der US-Präsident lobte stattdessen nach dem Gespräch, dass Russland potenziell einer der wichtigsten Handels- und Wirtschaftspartner der USA sei. Putin habe großes Interesse, nach dem Krieg die Wirtschaftsbeziehungen mit den USA auszuweiten.
(Bericht von Julia Payne, Bart Meijer, Andrew Gray, Lili Bayer, Sabine Siebold in Brüssel, Sachin Ravikumar in London, Alexander Ratz in Berlin; Redigiert von Ralf Banser; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)