Berlin/Genf (Reuters) – Die Mitgliedstaaten der Weltgesundheitsorganisation haben sich nach mehr als drei Jahren intensiver Verhandlungen auf ein wegweisendes Abkommen zur besseren Vorbereitung auf Pandemien geeinigt.
Die am Dienstag beschlossene Vereinbarung soll die Welt besser auf den Kampf gegen neue Krankheitserreger vorbereiten und gilt als Reaktion auf die Corona-Pandemie. Diese kostete von 2020 bis 2022 Millionen von Menschen das Leben und brachte das öffentliche Leben in zahlreichen Staaten durch Lockdowns zeitweise zum Erliegen, darunter auch Deutschland.
Die Abwesenheit der USA weckt jedoch Zweifel an der Wirksamkeit des Abkommens. Die US-Unterhändler zogen sich während der Gespräche über das Abkommen zurück, nachdem US-Präsident Donald Trump bei seinem Amtsantritt im Januar den Ausstieg der USA aus der Weltgesundheitsorganisation angekündigt hatte. Er warf der Organisation unter anderem Fehler bei der Bewältigung der Corona-Pandemie und anderer Krisen vor. Im Budget der WHO klafft deshalb eine große Lücke – die USA waren bisher der größte Geldgeber und stellten rund 18 Prozent der Gesamtfinanzierung.
Unterdessen bezeichnete US-Gesundheitsminister und Impfstoffskeptiker Robert F. Kennedy Junior die WHO als “todgeweiht” und forderte andere Länder auf, es den USA gleichzutun. “Ich fordere die Gesundheitsminister der Welt und die WHO auf, unseren Rückzug aus der Organisation als Weckruf zu verstehen”, sagte er in einem vom US-Sender Fox News ausgestrahlten Video. “Wir haben bereits Kontakt zu gleichgesinnten Ländern aufgenommen und ermutigen andere, sich uns anzuschließen.”
WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus verbuchte die Einigung als wichtigen Erfolg für die globale Gesundheitsorganisation. “Das Abkommen ist ein Sieg für die öffentliche Gesundheit, die Wissenschaft und multilaterales Handeln. Es wird sicherstellen, dass wir gemeinsam die Welt besser vor künftigen Pandemiegefahren schützen können”, lobte er den rechtlich bindenden Pakt.
Auch die Bundesregierung begrüßte die Vereinbarung. “Mit dem Abkommen nimmt sich die Weltgemeinschaft vor: In Zukunft soll es gerechter zugehen”, erklärte Entwicklungsministerin Reem Alabali-Radovan. Das Abkommen sei ein wichtiges Zeichen “gegen den Trend zu Alleingängen, der am Ende allen schadet”. Die Vereinbarung zielt nach Angaben des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unter anderem darauf ab, die Verfügbarkeit von Impfstoffen und Therapeutika zu verbessern und eine gerechte globale Verteilung im Pandemiefall zu koordinieren. Es soll ein Lieferketten- und Logistiknetzwerk aufgebaut werden. Insbesondere in Entwicklungsländern soll der Aufbau von Produktionskapazitäten für Impfstoffe und Therapeutika gefördert werden, etwa durch Technologietransfer auf freiwilliger Basis.
Zudem soll ein Zugangs- und Vorteilsausgleichsmechanismus ausgehandelt werden: Länder verpflichten sich demnach, Daten zu Erregern für die Forschung zur Verfügung zu stellen. Unternehmen, die diese Daten zur Entwicklung von Impfstoffen nutzen möchten, verpflichten sich laut BMZ dazu, der WHO zehn Prozent der Impfstoffe kostenlos zur globalen Verteilung zur Verfügung zu stellen. “Dadurch können Krankheitsausbrüche schneller kontrolliert und Pandemien verhindert werden, wovon letztendlich alle profitieren”, erklärte das Ministerium. Auch zur Prävention seien wichtige Regelungen getroffen worden, um Pandemien gar nicht erst entstehen zu lassen, etwa durch ein besseres Monitoring von Krankheitserregern mit Pandemiepotenzial.
Der Beschluss des Pakts fällt in eine Zeit, in der multilaterale Organisationen wie die WHO durch starke Kürzungen der US-Auslandshilfe belastet werden. 124 Länder stimmten für die Vereinbarung. Gegenstimmen gab es keine. Elf Länder enthielten sich, darunter Polen, Israel, Italien, Russland, die Slowakei und der Iran.
(Bericht von Christian Rüttger und Olivia Le Poidevin, geschrieben von Philipp Krach, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)