Berlin (Reuters) – Bundeskanzler Friedrich Merz hat trotz anderslautender Vereinbarung im Koalitionsvertrag seinen Wunsch erneuert, dass die EU-Lieferkettenrichtlinie am besten abgeschafft wird.
Er sei der Meinung, “man müsste das nationale Gesetz genauso abschaffen wie am besten die europäische Richtlinie”, sagte der CDU-Vorsitzende am Mittwoch in Berlin auf dem Tag der Bauindustrie. Denn es müsse einen Mentalitätswechsel geben, in dem Firmen kein Misstrauen mehr entgegengebracht werde. “Es muss zum Ausdruck kommen, dass wir grundsätzlich den Unternehmen vertrauen”, betonte er. “Es wird ein Haftungsregime geben, aber dafür werden die ganzen Aufzeichnungspflichten und die ganzen bürokratischen Lasten drastisch reduziert.”
Es sei nicht sinnvoll, in Deutschland ein Lieferketten-Sorgfaltspflichtengesetz abzuschaffen “und drei Jahre später in Brüssel eine vergleichbare Richtlinie zu bekommen, die das Ganze dann wieder zurückdreht”, mahnte der Kanzler. Die Richtlinie in Brüssel müsse “mindestens grundlegend so reformiert werden, dass … dieses grundsätzliche Misstrauen herauskommt.”
Zuvor hatte ein Regierungssprecher in Berlin gesagt, dass die schwarz-rote Koalition die EU-Lieferkettenrichtlinie reformieren, aber nicht abschaffen wolle. “Ich glaube, dass die Sorge um eine unterschiedliche Haltung der Bundesregierung in Brüssel übertrieben ist”, sagte Regierungssprecher Stefan Kornelius. Es gehe darum, die Richtlinie im Rahmen der Bemühungen der EU-Kommission zu “verschlanken”. Im Koalitionsvertrag sei festgehalten, dass das deutsche Lieferkettengesetz abgeschafft werden und die europäische Richtlinie reformiert werden solle.
Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte die Debatte am Montag für eine Abschaffung der EU-Richtlinie ausgesprochen und sich dabei ausdrücklich auf ähnliche Äußerungen von Kanzler Friedrich Merz bezogen. Am Dienstag stellte sich Unionsfraktionschef Jens Spahn hinter die Äußerung Macrons. Weil die SPD eine Abschaffung der EU-Richtlinie ablehnt und auf den Koalitionsvertrag verweist, gab es in Brüssel Verwirrung über die deutsche Position.
In der Debatte über Lieferkettenvorgaben geht es um Vorschriften für Unternehmen, die etwa Kinder- oder Zwangsarbeit auch bei Zulieferern ausschließen sollen. Das Lieferkettengesetz gilt einigen in der Union als Symbol für zu viele zu bürokratische Auflagen für Firmen.
(Bericht von Andreas Rinke, redigiert von Sabine Ehrhardt)