Regierung kritisiert US-Harvard-Beschluss als Gefahr für Demokratie

Washington/Berlin (Reuters) – Der US-Beschluss, internationale Studenten von der Elite-Universität Harvard zu verbannen, hat weltweit Proteste ausgelöst.

Die Bundesregierung kritisierte das Vorgehen am Freitag scharf. Freiheit der Wissenschaft und internationaler Austausch seien Grundlagen für gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Fortschritt, sagte ein Sprecher von Kanzler Friedrich Merz. “Einschränkungen der Wissenschaftsfreiheit sind Einschränkungen der Demokratie selbst.” Laut Außenministerium befindet sich eine dreistellige Zahl deutscher Studenten in Harvard. “Insofern werden wir zügig mit den Partnern in den USA die Frage aufnehmen, welche Auswirkungen das auf die deutschen Studierenden hat”, sagte ein Sprecher. Auch China protestierte. Harvard reichte am Freitag Klage gegen den Beschluss ein, da er gegen die Verfassung verstoße.

US-Heimatschutzministerin Kristi Noem hatte am Donnerstag angeordnet, dass Harvard keine neuen Studenten aus dem Ausland mehr annehmen darf und eingeschriebene ausländische Studenten die Uni wechseln müssten oder ihre studentische Aufenthaltserlaubnis verlieren würden. Sie begründete dies damit, dass die Universität Gewalt und Antisemitismus fördere und mit der Kommunistischen Partei Chinas zusammenarbeite. Über die Studiengebühren sind ausländische Studenten auch eine wichtige Finanzquelle für die Uni.

BÄR: HOCHDRAMATISCHE LAGE

Bildungsministerin Dorothee Bär nannte die Situation “hochdramatisch”. Deshalb müsse man “jetzt in Deutschland, aber auch gesamt in Europa das Thema Wissenschaftsfreiheit in den Mittelpunkt stellen”, sagte die CSU-Politikerin dem Radiosender BR2. Beim Treffen der EU-Wissenschaftsminister am Freitag in Brüssel spreche sie über eine europäische Strategie. “Wir haben in Europa die älteste Universität der Welt, und ich glaube, wir müssen da gerade nochmal ein Leuchtturm sein, ausstrahlend sein, wenn das andere Kontinente nicht mehr machen.” Das Vorgehen von US-Präsident Donald Trump gegen Harvard und andere Bildungseinrichtungen wird in Europa auch als Chance gesehen, talentierte Wissenschaftler aus den USA zu gewinnen.

China äußerte sich kritisch. Die Maßnahmen der USA beeinträchtigten zweifellos ihr Ansehen und ihre Glaubwürdigkeit, sagte eine Sprecherin des Außenministeriums in Peking. Die Volksrepublik werde die legitimen Rechte und Interessen ihrer Studenten und Wissenschaftler im Ausland schützen. Die Bildungskooperation zwischen China und den USA nütze beiden Seiten, betonte die Außenamtssprecherin.

In einer Beschwerde vor einem Bundesgericht in Boston sprach Harvard von einem “eklatanten Verstoß” gegen die US-Verfassung und andere Bundesgesetze und habe verheerende Auswirkungen auf die Universität und mehr als 7000 ausländische Studenten. “Mit einem Federstrich hat die Regierung versucht, ein Viertel der Harvard-Studierendenschaft zu streichen – internationale Studierende, die einen wesentlichen Beitrag zur Universität und ihrem Auftrag leisten”, erklärte Harvard. “Ohne internationale Studenten ist Harvard nicht Harvard.” Es handele sich um Vergeltung, weil Harvard Forderungen der Regierung nach Kontrolle der Verwaltung, des Lehrplans und der ‘Ideologie’ einer Fakultät und Studierenden ablehnt.

(Bericht von: Markus Wacket, Jonathan Stempel, Andreas Rinke und Ted Hesson; redigiert von Sabine Ehrhardt Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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