Wirtschaft startet besser als gedacht ins Jahr: BIP-Plus von 0,4 Prozent

– von Reinhard Becker und Klaus Lauer

Berlin (Reuters) – Die deutsche Wirtschaft ist zu Jahresbeginn doppelt so stark gewachsen wie gedacht und nährt damit Hoffnung auf einen Aufschwung.

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte von Januar bis März um 0,4 Prozent zum Vorquartal zu, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) am Freitag mitteilte. Exporte, Investitionen und privater Konsum erwiesen sich als Wachstumstreiber. In einer früheren Schätzung war lediglich von 0,2 Prozent die Rede. Grund für das gegenüber der ersten Schätzung leicht höhere Wachstum war die überraschend gute konjunkturelle Entwicklung im März, wie Destatis-Chefin Ruth Brand erläuterte. Vor allem die Produktion im Verarbeitenden Gewerbe sowie die Exporte entwickelten sich demnach besser als zunächst angenommen. Stärker gewachsen als im ersten Quartal war das BIP zuletzt im dritten Quartal 2022: Damals gab es ein Plus von 0,6 Prozent.

Die privaten Konsumausgaben zogen im ersten Quartal stärker an als noch in den Vorquartalen. Sie stiegen um 0,5 Prozent im Vergleich zum vierten Quartal 2024. Dagegen sanken die Konsumausgaben des Staates um 0,3 Prozent. “Grund hierfür dürften vor allem die vorläufigen Haushaltsführungen des Bundes und einiger Bundesländer sein, wodurch insbesondere staatliche Ausgaben für Sachaufwendungen reduziert wurden”, erklärte Destatis.

Der Handel mit dem Ausland nahm zu Jahresbeginn kräftig zu: So wurden insgesamt 3,2 Prozent mehr Waren und Dienstleistungen exportiert, ausgehend von einem “verhaltenen” vierten Quartal 2024, wie es die Statistiker formulieren. Insbesondere die Ausfuhren von pharmazeutischen Erzeugnissen sowie von Kraftwagen und Kraftwagenteilen – beide sind bedeutende Exportgüter für den US-Markt – legten deutlich zu. “Vorzieheffekte im schwelenden Handelskonflikt mit den USA dürften daher zu der positiven Entwicklung beigetragen haben”, erläuterte Destatis.

“So etwas ist natürlich kein auf Dauer angelegtes Konjunkturprogramm”, sagte LBBW-Experte Jens-Oliver Niklasch. Im zweiten Quartal dürfte es seiner Meinung nach eine gewisse Korrektur geben. “Dennoch muss man festhalten, dass auch diese Zahl heute dafür spricht, dass die Konjunktur besser läuft als vor ein paar Wochen befürchtet.” Die Wirtschaftsweisen rechnen in ihrer jüngst vorgelegten Prognose damit, dass die Konjunktur im Gesamtjahr stagnieren wird. Das Ifo-Institut ist etwas optimistischer und erwartet 2025 immerhin eine leicht positive Wachstumsrate.

EXPORTERWARTUNGEN BESSERN SICH

Die Beruhigung im Zollkonflikt hat mittlerweile dazu beigetragen, die Stimmung unter den deutschen Exporteuren zu verbessern. Das Barometer für die Exporterwartungen stieg im Mai auf minus 3,0 Punkte, nach minus 9,4 Zählern im April, wie das Münchner Ifo-Institut zu seiner Unternehmensumfrage mitteilte. Auch wenn es zu einer Deeskalation im Zollkonflikt gekommen sei, sei noch Vorsicht geboten, sagte der Leiter der Ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe: “Denn es gibt weiterhin keine grundsätzliche Einigung zwischen den USA und der EU mit Blick auf die Höhe der Zölle.” US-Präsident Donald Trump hatte Anfang April Sonderzölle bekanntgegeben, die er jedoch für viele Staaten vorübergehend aussetzte. Der Basiszollsatz von zehn Prozent blieb allerdings bestehen.

HOFFNUNGSZEICHEN FÜR DEN BAU

Zu Jahresbeginn wurde in Deutschland auch mehr investiert als im vierten Quartal 2024: Sowohl in Bauten (plus 0,5 Prozent) als auch in Ausrüstungen (plus 0,7 Prozent) waren die Investitionen höher als im Vorquartal, was jeweils den zweiten Anstieg in Folge darstellt. Dies ist ein Hoffnungszeichen für die angeschlagene Baubranche: In Deutschland war die Zahl der Neubauwohnungen im vergangenen Jahr spürbar auf 251.900 gesunken. Der Wohnungsbau kriselt seit längerem – wegen hoher Zinsen und hoher Baukosten. Für viele Investoren lohnt sich das Bauen derzeit kaum.

Die Ampel-Regierung von SPD, Grünen und FDP hatte sich anfangs vorgenommen, dass jährlich 400.000 Wohnungen gebaut werden sollten. Die neue Koalition von Union und SPD hat sich bewusst kein Ziel gesetzt, will aber die “Bagger rollen lassen”, wie die neue Bauministerin Verena Hubertz (SPD) bereits mehrfach betonte: “Wir werden zügig einen Wohnungsbauturbo vorlegen, steuerliche Anreize verbessern und Neubauförderprogramme radikal vereinfachen”, kündigte sie nun an.

(Bericht von Reinhard Becker und Klaus Lauer, Mitarbeit Christian Krämer, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

tagreuters.com2025binary_LYNXMPEL4M06H-VIEWIMAGE