Klima-Klage gegen RWE gescheitert – Gericht hält Ansatz aber für schlüssig

– von Elke Ahlswede und Riham Alkousaa

Hamm (Reuters) – Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat die Klima-Klage eines peruanischen Bauern gegen den Energieriesen RWE zurückgewiesen, mögliche Ansprüche gegenüber CO2-intensiven Industriekonzernen im Zusammenhang mit dem Klimawandel aber im Grundsatz anerkannt.

Damit betrachteten sich am Mittwoch sowohl RWE als auch die Unterstützer des klagenden Landwirts als Sieger des Verfahrens. “Das ist für uns ein guter Tag”, sagte RWE-Sprecher Matthias Beigel. “Der Versuch, einen juristischen Präzedenzfall zu schaffen, ist auch in der zweiten Instanz klar gescheitert.” Kläger-Anwältin Roda Verheyen sieht dagegen trotz der zurückgewiesenen Berufung nicht nur einen Präzedenzfall, sondern auch Signalwirkung: Erstmals in der Geschichte habe ein hohes Gericht in Europa entschieden, dass Konzerne für die Folgen ihrer CO2-Emissionen zur Verantwortung gezogen werden können.

Unterstützt von der Umweltschutzorganisation Germanwatch wollte der Kleinbauer und Bergführer Saúl Luciano Lliuya vor Gericht erreichen, dass RWE sich finanziell an Schutzmaßnahmen für sein Haus gegen Folgen der Gletscherschmelze in den Anden beteiligt. Lliuya argumentierte zusammen mit der bekannten Umweltschutz-Anwältin Verheyen, dass CO2-Emissionen von RWE-Kraftwerken zu der Gletscherschmelze beigetragen und damit das Überschwemmungsrisiko für sein Haus erhöht hätten. Dies liegt unterhalb eines Gletschersees in der Stadt Huaraz am Fuße der Anden. Lliuya scheiterte mit seiner 2015 beim Landgericht am RWE-Konzernsitz Essen eingereichten Klage, 2017 begann das Berufungsverfahren vor dem OLG Hamm.

RICHTER: AUF DEN ERSTEN BLICK SKURRIL, ABER HOCHBRISANT

“Der Fall wirkt auf den ersten Blick skurril, doch er ist hochbrisant”, sagte der Vorsitzende Richter Rolf Meyer. Er zeige wie durch ein Brennglas die Konflikte dieser Welt – zwischen den Menschen auf der Süd- und der Nordhalbkugel, zwischen Arm und Reich. Meyer erklärte ausführlich, warum das Gericht die Klage des Peruaners im Grundsatz für schlüssig erachte. Ein Unternehmen am anderen Ende der Welt könne theoretisch durchaus für die Folgen des Klimawandels zur Rechenschaft gezogen werden.

Aber die in dem langwierigen Verfahren erzielten Erkenntnisse zeigten unter anderem, dass das Flutrisiko für Lliuyas Haus selbst in den nächsten 30 Jahren bei einem Prozent liege, so der Richter. Damit sei die konkrete Bedrohung nicht so groß, als dass sie eine weitere Beweisaufnahme rechtfertige. Meyer hatte sich 2022 in den Anden selbst ein Bild gemacht.

Gerichtssprecher Daniel Große-Kreul betonte anschließend, dass das Gericht bei einer anderen Beweislage auch anders hätte entscheiden können. Der von den Klägern vorgebrachte Anspruch sei theoretisch möglich. Bei ähnlichen Fällen werde man sich mit der OLG-Entscheidung auseinandersetzen müssen, sagte er auf die Frage nach einer Signalwirkung. Das Urteil ist rechtskräftig, der Gang zum Bundesgerichtshof (BGH) wurde nicht zugelassen.

RWE: “GEFÄHRDET INDUSTRIESTANDORT”

Lliuya bezeichnete das Verfahren trotzdem als Erfolg: “Auch wenn es in meinem Fall nicht weitergeht, hat meine Klage Wichtiges erreicht. Das macht mich stolz.” Anwältin Verheyen dankte nach der Verkündung dem per Videolink aus Peru zugeschalteten Landwirt. Lliuya habe durch seinen Einsatz über zehn Jahre hinweg erreicht, dass festgestellt wurde, dass deutsche Unternehmen zivilrechtlich für die Folgen des Klimawandels belangt werden können. Verheyen hat nach eigenen Worten bereits viele weitere Klagen in der Schublade.

RWE-Sprecher Beigel sagte, der Konzern halte es für einen völlig falschen Ansatz, klimapolitische Forderungen über NGOs in deutsche Gerichtssäle zu bringen. “Wenn das Schule macht, wäre bald jedes deutsche Industrieunternehmen mit Klimaklagen aus aller Welt konfrontiert. Das kann nicht die Lösung sein, das würde den Industriestandort Deutschland massiv gefährden.” RWE habe sich jederzeit an geltendes Recht und alle Emissionsvorschriften gehalten. Darüber hinaus nehme der Versorger seine Verantwortung sehr ernst. “Wir sind eines der führenden Unternehmen bei Erneuerbaren Energien. Wir agieren im Einklang mit den Pariser Klimazielen. Seit 2018 haben wir unseren CO2-Ausstoß mehr als halbiert. Und bis 2040 sind wir klimaneutral”, betonte der Sprecher.

(Bericht von Elke Ahlswede, Mitarbeit Riham Alkousaa und Tom Käckenhoff, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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