Berlin (Reuters) – Die neue Bundesregierung treibt die Wende in der Einwanderungspolitik mit ersten Beschlüssen voran.
Der Familiennachzug von Migranten soll eingeschränkt, eine Einbürgerung aufgeschoben und der Zuzug insgesamt begrenzt werden, wie das Bundeskabinett am Mittwoch in einem neuen Aufenthaltsgesetz verankerte. Der Nachzug von Kindern und Ehepartnern für sogenannte “subsidiär Schutzberechtigte”, also Menschen, die keinen vollen Flüchtlingsstatus haben, wird demnach zunächst für zwei Jahre ausgesetzt. Bislang konnten jährlich insgesamt 12.000 Angehörige nachziehen. Abgeschafft wird zudem die beschleunigte Einbürgerung nach drei Jahren, künftig soll dies frühestens ab fünf Jahren möglich sein. Grüne, die Diakonie, Amnesty International und andere kritisierten die Vorhaben als falsches Signal an Zugewanderte.
Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) sagte dagegen: “Es ist ein entscheidender Tag bei der Reduzierung von illegaler Migration und im Kampf gegen die Überforderung der Aufnahmesysteme.” Familiennachzug und schnelle Einbürgerung zögen illegale Migration an. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Filiz Polat, warf Dobrindt dagegen vor, Deutschland als Einwanderungsland zu schaden. “Er schafft Regelungen ab, die sich gerade an Hochqualifizierte oder Menschen mit besonderen Integrationsleistungen richten. Das ist weder fair noch klug.” Der CSU-Politiker argumentierte, Einbürgerung nach fünf Jahren sei im europäischen Vergleich immer noch sehr schnell: “Ich sehe kein Hindernis für Hochqualifizierte.”
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sprach von einem schweren Eingriff in das Recht auf Familie. Familie könne ein Ort des Rückzugs und der Stabilität sein. Die Diakonie warnte, dass Angehörige nun irreguläre und gefährliche Wege auf sich nehmen, um zu ihren Familien zu gelangen.
Dobrindt hatte bereits direkt nach Amtsantritt verschärfte Grenzkontrollen gegen illegale Migration und auch die Zurückweisung von Asylbewerbern angeordnet. Zahlreiche Anschläge und Messerangriffe, denen unter anderem ein Kleinkind und ein Polizist zum Opfer fielen, hatten zuvor im Wahlkampf die Migration in den Mittelpunkt gerückt.
Die Gesetzesvorhaben sind sogenannte Formulierungshilfen für den Bundestag. Der Entwurf soll also durch Union und SPD aus dem Bundestag heraus auf den Weg gebracht werden, was das Verfahren im Parlament noch einmal beschleunigt. Laut Dobrindt sollen die Gesetze im Juli Bundestag und Bundesrat passiert haben.
VOR ALLEM SYRER VON AUSSETZUNG FAMILIENNACHZUG BETROFFEN
Von der Aussetzung des Familiennachzugs sind subsidiär Schutzberechtigte betroffen. Diesen Status haben rund 380.000 Menschen in Deutschland, vor allem Syrer. Anders als bei Flüchtlingen und Asylberechtigten hat der Gesetzgeber hier mehr Spielraum.
“Die vorübergehende Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten dient der Entlastung der Aufnahme- und Integrationssysteme der Bundesrepublik Deutschland”, heißt es im Entwurf. “Die Maßnahme, den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten vorübergehend auszusetzen, ist daher für eine rasche Entlastung der Kommunen ein geeignetes Mittel.” Man trage damit auch dem öffentlichen Interesse an einer kontrollierten Migrationspolitik Rechnung.
Parallel wurde das Ende der sogenannten “Turbo”-Einbürgerung im Kabinett im Staatsbürgerrecht entschieden. Statt nach drei Jahren soll ein deutscher Pass frühestens nach fünf Jahren vergeben werden. Damit wird eine Neuregelung der Ampel-Koalition wieder aufgehoben. Rund 200.000 Menschen wurden im vergangenen Jahr eingebürgert, der höchste Stand seit einem Vierteljahrhundert. In der Regel darf man nicht auf Sozialhilfe angewiesen sein und muss einen festen Arbeitsplatz sowie gute Sprachkenntnisse vorweisen.
(Bericht von: Markus Wacket; redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)