SPD-Kreise: Pflichtdienst laut Wehrgesetz nur bei Bundestags-Ja

– von Markus Wacket

Berlin (Reuters) – Verteidigungsminister Boris Pistorius hat seine Pläne für den freiwilligen Wehrdienst und einen Übergang zur Pflicht vorgestellt.

Demnach sollen das Kabinett und dann der Bundestag eine zwangsweise Rekrutierung etwa bei einer Verschärfung der Bedrohungslage beschließen, wie Pistorius Parlamentskreisen zufolge am Montag unter anderem in der SPD-Fraktion erläuterte. Der freiwillige Dienst werde aber so attraktiv sein, dass in den nächsten Jahren keine Pflicht erforderlich sein müsse, habe er argumentiert. Dennoch wolle man sich darauf vorbereiten. Der aktuelle Freiwilligendienst werde drastisch verändert, die sechs Monate Basisdienst könne man als Zeitsoldat mit einem Gehalt von über 2000 Euro monatlich absolvieren. Zum einen hoffe Pistorius, dass nach dem Basisdienst einige länger bei der Bundeswehr bleiben wollen. Zum anderen soll aber so die Zahl der Reservisten auf 200.000 verdoppelt werden.

Das Gesetz soll, wie bereits bekannt wurde, Ende August im Kabinett beschlossen werden. In Kraft treten soll es ab 2026, die ersten Freiwilligen nach neuem Gesetz könnten dann ab Mai in die Kasernen ziehen. Ziel von Pistorius ist, letztlich ab 2030 eine Truppe von 460.000 Soldaten aufbieten zu können. Neben den aktuellen etwa 100.000 Reservisten weitere 100.000 Männer und Frauen, die freiwillig gedient haben. Dazu wird eine aktive Truppe von 260.000 angestrebt, also 80.000 mehr als derzeit der Bundeswehr zur Verfügung stehen.

Wie geplant, werden zunächst junge Menschen ab Jahrgang 2008 angeschrieben. Männer müssen antworten, Frauen können. Vor allem die SPD dringt darauf, den sechsmonatigen Dienst so attraktiv zu gestalten, dass sich ausreichend Freiwillige finden, ohne dass eine Pflicht greifen muss.

Laut dem “Spiegel”, der aus dem Gesetzentwurf zitiert, soll der Dienst Pflicht werden, wenn es einen “kurzfristigen Aufwuchs der Streitkräfte zwingend erfordert, der auf freiwilliger Grundlage nicht erreichbar ist.” Dies ist der Fall, wenn Bedrohungslage und Freiwillige nicht mehr in Einklang stehen. Die Bundesregierung kann diese Rekrutierung dann mit Zustimmung des Bundestags umsetzen. Laut “Spiegel” heißt es im Entwurf weiter, die militärischen Anforderungen machten “einsatzbereite, kaltstartfähige und durchhaltefähige Einheiten” erforderlich.

Derzeit ist die Bundeswehr nicht in der Lage, mehr als 15.000 Freiwillige auszubilden und unterzubringen. Diese Zahl will Pistorius aber laut seiner Präsentation in der SPD-Fraktion auf über 30.000 im Jahr 2029 steigern, sodass es dann insgesamt 100.000 Wehrdienstleistende gegeben hat – und nach derzeitigem Stand keine Pflicht nötig ist. Parallel sollen auch immer mehr Menschen über den Freiwilligendienst hinaus gemustert werden, damit fähige Männer im Notfall auch verpflichtet werden können. Die Musterung soll bis zu einem Alter von 25 Jahren gelten.

Pistorius steht bei der Pflichtfrage aber unter großem Druck seiner eigenen Partei und Fraktion. Auf dem SPD-Parteitag am vergangenen Wochenende konnte er nach zähen Verhandlungen einen Antrag der Jusos abbiegen, der einen völligen Verzicht auf jede Form der Pflicht vorsah. Die Debatte zeigte, wie umstritten eine Wehrpflicht bei den Sozialdemokraten ist. Die Union will die Pflichtkomponente möglichst verbindlich im Gesetz. Sie fürchtet, dass für ein späteres, eigenes Pflicht-Gesetz der SPD dann die Kraft fehlen könnte. Die jetzt im Gesetzentwurf geplante, mögliche kurzfristige Befassung von Kabinett und Bundestag ist damit schon ein Kompromiss.

(Redigiert von Scot W. Stevenson; Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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