Berlin (Reuters) – Die Bundesregierung muss eine afghanische Familie innerhalb eines humanitären Aufnahmeprogramms nach Deutschland holen.
Das Verwaltungsgericht Berlin gab am Dienstag dem Eilantrag einer Frau und deren Familie statt und entschied, die Regierung sei rechtlich an ihre “unwiderrufliche” Zusage gebunden. Die Kläger hätten einen Anspruch auf ein Visum und könnten nicht länger in Pakistan bleiben, wo ihnen die Abschiebung nach Afghanistan drohe, hieß es in der Entscheidung. Aus dem Auswärtigen Amt hieß es, der Beschluss sei noch nicht rechtskräftig und werde von der Regierung geprüft. Ein Sprecher des Innenministeriums betonte: “Jeder Einzelfall wird betrachtet.” Dabei würden auch notwendige Sicherheitsüberprüfungen umgesetzt. Detail-Untersuchungen zu den bestehenden Programmen seien zudem noch nicht abgeschlossen.
Die Berliner Richter urteilten, dass die Regierung das Recht habe, das Programm für künftige Bewerber zu beenden und keine neuen Aufnahmezusagen mehr zu machen. Gegen den Beschluss kann Beschwerde eingelegt werden. Das Auswärtige Amt reagierte zunächst nicht auf eine Anfrage für eine Stellungnahme. Die neue Bundesregierung aus Union und SPD hatte angekündigt, das Aufnahmeprogramm zu beenden und verfolgt einen härteren Kurs in der Migrationspolitik.
Das Programm war nach der Machtübernahme der radikal-islamischen Taliban 2021 für besonders schutzbedürftige Afghanen eingerichtet worden. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes warten derzeit rund 2400 bereits anerkannte Personen in Pakistan auf ihre Ausreise. Nichtregierungsorganisationen zufolge befinden sich weitere 17.000 Afghanen in einem frühen Stadium des Bewerbungsverfahrens. Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte angekündigt, Aufnahmeprogramme für Flüchtlinge zu stoppen und Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien zu prüfen. Das Innenministerium erklärte, für Menschen im Verfahren mit Aufenthalt in Pakistan sei Unterbringung, Versorgung und Betreuung vor Ort durch die Bundesregierung organisiert.
“SCHLECHTE IDEE DER GRÜNEN”
Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm, kritisierte eine Intransparenz bei den bisherigen Afghanistan-Aufnahmeprogrammen. Der CDU-Politiker sagte der “Rheinischen Post”, das Verfahren sei von Anfang an “eine schlechte Idee der Grünen” gewesen. Dafür übernehme diese Bundesregierung keine Verantwortung. Die Menschen in Deutschland erwarteten zurecht, “dass mit diesem Gemauschel zwischen Regierung und einzelnen NGOs Schluss ist”.
Die SPD-Außenpolitikerin Derya Türk-Nachbaur forderte indes die Einhaltung der Aufnahmezusagen: “Wir in der SPD sind uns einig: Alle Aufnahmezusagen müssen eingehalten werden”, sagte sie der “Rheinischen Post”. “Die betroffenen Afghaninnen und Afghanen wurden auf Herz und Nieren geprüft – mehrfach und gründlich durch deutsche Sicherheitsbehörden. Es spricht nichts dagegen, sie einreisen zu lassen.”
Der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Marcel Emmerich, kritisierte die Bundesregierung: “Die Bundesregierung bricht Recht, wenn sie Aufnahmezusagen für besonders schutzbedürftige Afghaninnen und Afghanen ignoriert”, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). “Dass Betroffene erst vor Gericht ziehen müssen, um ihr Recht durchzusetzen, ist ein Skandal, aber leider kein Einzelfall.”
(Bericht von Miranda Murray, Alexander Ratz, Markus Wacket; Redigiert von Sabine Ehrhardt; Bei Rückfragen wenden Sie sich an berlin.newsroom@tr.com)