Frankfurt (Reuters) – Die anhaltende Unsicherheit über neue US-Zölle setzt der deutschen Chemieindustrie spürbar zu.
Gleich drei große Unternehmen – Branchenprimus BASF, der Kunststoffkonzern Covestro und der Chemikalienhändler Brenntag – kassierten am Freitag ihre Gewinnprognosen für das laufende Jahr. An der Börse ging es darauf zu Wochenbeginn abwärts: BASF-Aktien verloren in der Spitze knapp zwei Prozent, ebenso wie Covestro. Die Titel von Brenntag brachen zwischenzeitlich um mehr als fünf Prozent ein und waren damit zweitgrößter Verlierer im Dax. Die Prognosesenkungen kamen zwar nicht völlig überraschend, die Zahlen sind aber noch schwächer als befürchtet, wie ein Händler sagte.
Die Chemiebranche gilt als wichtiger Konjunkturindikator, da ihre Produkte praktisch in allen großen Industriezweigen benötigt werden. Zwar hatte sich die Stimmung in der energieintensiven Branche laut Ifo-Institut im Juni auch wegen der geplanten Senkung der Stromsteuer deutlich verbessert. Der Auftragsbestand wurde aber weiter als “äußerst niedrig” eingeschätzt. Der weltgrößte Chemiekonzern BASF begründete die Senkung seiner Jahresziele mit den anhaltenden makroökonomischen und geopolitischen Risiken. Besonders die US-Zollpolitik schüre Unsicherheit. “Dadurch wird im Jahr 2025 die Marktnachfrage für Chemieprodukte weniger stark ansteigen als bisher erwartet.” Laut Covestro gibt es derzeit keine Anzeichen einer kurzfristigen Erholung.
Brenntag verwies ebenfalls auf die Zolldrohungen aus den USA. Diese führten zu einer spürbaren Verlangsamung der Nachfrage und einem erhöhten Preisdruck in verschiedenen Endmärkten – ein Trend, der sich in der zweiten Jahreshälfte fortsetzen dürfte. Zusätzlich belasteten Wechselkurseffekte durch die Abwertung des Dollar gegenüber dem Euro.
Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) forderte mit Blick auf die von US-Präsident Donald Trump angekündigten Zölle von 30 Prozent auf Importe aus der EU und Mexiko entschlossenes Handeln: “Die Zeit des Schönredens ist vorbei – jetzt zählt nur noch Handeln”, sagte Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup. Beide Seiten müssten bis zum 1. August versuchen, eine faire Einigung zu erzielen. Die Bedingungen für den Standort Deutschland müssten zudem rasch verbessert werden, sonst gehe Stück für Stück die industrielle Basis verloren. “Das wäre in diesen herausfordernden Zeiten fatal.”
Der Spezialchemiekonzern Lanxess wollte sich zu der Entwicklung nicht äußern. Bislang erwartet das Kölner Unternehmen im laufenden Jahr ein bereinigtes Ergebnis zwischen 600 und 650 (Vorjahr: 614) Millionen Euro. Auch Evonik lehnte einen Kommentar ab. Für 2025 haben die Essener ein bereinigtes Ebitda zwischen 2,0 und 2,3 (Vorjahr: 2,06) Milliarden Euro in Aussicht gestellt.
(Bericht von Patricia Weiß, unter Mitarbeit von Zuzanna Szymanska und Matthias Inverardi, redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)