Chinas Wirtschaft wächst noch robust: Doch mit Zollstreit droht Abkühlung

Peking (Reuters) – Trotz des weiter schwelenden Zollkonflikts mit den USA hat Chinas Wirtschaft ihr Wachstumstempo nur leicht gedrosselt.

Von April bis Juni legte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt um 5,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu, wie aus den Daten des Nationalen Statistikamtes am Dienstag hervorging. Damit fiel das Wachstum sogar etwas höher aus als von Experten erwartet, die nur mit einem Zuwachs von 5,1 Prozent gerechnet hatten. Im ersten Quartal hatte das BIP mit 5,4 Prozent allerdings noch etwas stärker zugelegt.

“Trotz eines starken ersten Halbjahres dürften sich die Aussichten im zweiten Halbjahr eintrüben”, sagt Societe-Generale-Ökonomin Wei Yao voraus. Die Expertin geht davon aus, dass die Auswirkungen der US-Zölle dann deutlicher sichtbar werden. China hat bisher den Konjunkturmotor am Laufen gehalten, was zum Teil auf Stützungsmaßnahmen und auch den fragilen Handelsfrieden mit den USA zurückzuführen ist.

Unternehmen auf beiden Seiten des Pazifiks warten darauf, ob sich die Volksrepublik und die USA auf ein dauerhafteres Abkommen einigen können oder ob die globalen Lieferketten durch die Wiedereinführung von Zöllen von über 100 Prozent erneut durcheinandergewirbelt werden. Die Regierung in Peking hat noch bis zum 12. August Zeit, eine dauerhafte Einigung mit den USA zu erzielen.

Die Wirtschaft im Reich der Mitte ist auf Exporte angewiesen, auch, weil die Binnennachfrage wegen der Immobilienkrise schwächelt. Die chinesischen Hersteller versuchen angesichts der Zollschranken in den USA zunehmend, Marktanteile in den Staaten Südostasiens zu erobern. Der deutsche Außenhandelsverband BGA sieht überdies deutliche Hinweise auf ein Umleiten von eigentlich für den US-Markt bestimmter Waren nach Europa.

Laut Zichun Huang, China-Ökonom bei Capital Economics, dürften die jüngsten BIP-Daten die Stärke des chinesischen Wachstums wahrscheinlich noch immer überzeichnen: “Da sich die Exporte voraussichtlich verlangsamen und der Rückenwind durch fiskalische Unterstützung nachlässt, dürfte sich das Wachstum in der zweiten Jahreshälfte weiter abkühlen.”

POLITBÜRO STELLT BALD DIE WEICHEN

China hat eine Lockerung der Geldpolitik eingeleitet und auch die Infrastrukturausgaben sowie die Subventionen für Verbraucher erhöht. Im Mai senkte die Zentralbank die Zinsen und pumpte Liquidität ins Finanzsystem, um die Wirtschaft vor den Folgen des Zollkonflikts mit den USA zu schützen. Die Aufmerksamkeit der Anleger richtet sich nun auf die bevorstehende Sitzung des mächtigen Politbüros der Kommunistischen Partei, das Ende des Monats die Weichen für die Wirtschaftspolitik für den Rest des Jahres stellen will.

Die Regierung in Peking strebt trotz des Handelskriegs mit den USA ein Wirtschaftswachstum von “rund fünf Prozent” für dieses Jahr an. Die Frage ist, ob dieses Ziel in Zeiten des Zollstreits erreicht werden kann. Laut einer Reuters-Umfrage unter Ökonomen dürfte sich das Wachstum im laufenden Jahr auf 4,6 Prozent abschwächen – und damit unter dem offiziellen Ziel liegen. 2026 könnte es sogar noch weiter auf 4,2 Prozent nach unten gehen, so die Erwartungen der Ökonomen.

(Bericht von Joe Cash, Kevin Yao und Ellen Zhang, geschrieben von Reinhard Becker, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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