Mögliche EU-Gegenzölle auf Flugzeuge, Autos und Chemikalien aus USA

Brüssel/Berlin (Reuters) -Die EU hat sich im Handelsstreit mit den USA auf Details für mögliche Gegenmaßnahmen verständigt. Diese sollen aber nur greifen, wenn die Gespräche mit der US-Regierung in den nächsten Wochen kein Ergebnis bringen. Die Europäische Union würde dann unter anderem Flugzeuge von Boeing, Maschinen, Autos, Chemikalien und medizinische Geräte aus den USA ins Visier nehmen – im Wert von insgesamt 72 Milliarden Euro. Das geht aus einer Liste hervor, die an die 27 EU-Mitgliedstaaten versendet wurde und die der Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag vorlag. Auf der Liste stehen auch Elektro- und Präzisionsgeräte sowie landwirtschaftliche Erzeugnisse von Obst und Gemüse bis Wein, Bier und Spirituosen wie Bourbon.

Details zu den genauen Zollsätzen sind bislang nicht bekannt. Die EU-Mitglieder müssten dem Paket zustimmen, bevor es in Kraft treten würde. Der Zeitplan dafür ist noch nicht bestimmt. Die europäische Getränkelobby hatte sich zuletzt bereits gegen die Pläne ausgesprochen. Hier spielen Exporte in die USA eine wichtige Rolle. Auch die Wein-Länder Frankreich, Italien und Spanien befürchten größere Einbußen.

Bis Ende des Monats soll eine Eskalation im Handelsstreit mit Verhandlungen abgewendet werden. Sowohl die USA als auch die EU hatten zuletzt von Annäherungen in den Gesprächen berichtet. Trotzdem hatte US-Präsident Donald Trump am Wochenende mit hohen Sonderzöllen von pauschal 30 Prozent gedroht. Die EU-Kommission, die die Handelspolitik in Europa koordiniert, hatte darauf besonnen reagiert und mögliche Gegenmaßnahmen noch nicht in Kraft gesetzt.

Das 72-Milliarden-Paket wäre die zweite Vergeltungsrunde gegen US-Zölle. Es würde US-Zölle auf Autos, Autoteile und pauschale Zölle von derzeit noch zehn Prozent beantworten. Größenordnungen von 30 Prozent würden nach Einschätzung von Experten den gegenseitigen Handel nachhaltig beeinträchtigen und massive Folgen für die Wirtschaft haben. Ein erstes Paket mit Gegenmaßnahmen umfasste US-Waren im Wert von 21 Milliarden Euro. Es wurde im April genehmigt, dann aber wieder ausgesetzt, um die Verhandlungen nicht zu torpedieren. Die Aussetzung gilt bis zum 6. August. Hier waren zunächst auch Gegenzölle auf alkoholische Getränke vorgesehen, die dann aber wieder von der Liste genommen wurden.

MERZ: BRAUCHEN EINEN SCHNELLEN DEAL MIT TRUMP

Bundeskanzler Friedrich Merz pochte erneut auf einen schnellen Abschluss der Verhandlungen. “Unser Ziel ist und bleibt, rasch zu einer Lösung zu kommen, die den Handel mit den Vereinigten Staaten erleichtert und wieder niedrigere Zölle vorsieht”, sagte der CDU-Chef in Bayern. Er habe sich dafür eingesetzt, noch keine Gegenmaßnahmen in Kraft zu setzen. “Aber bitte, die amerikanische Regierung soll nicht unsere Bereitschaft unterschätzen, auf übermäßig hohe Zollbelastungen mit ähnlichen Maßnahmen auch zu reagieren.” Die EU sei vorbereitet auch für den Konflikt. “Wir hoffen aber auf eine Verhandlungslösung.” Deshalb sei er in engem Kontakt sowohl mit Trump als auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

EU-Handelskommissar Maros Sefcovic wird einem Sprecher zufolge am Dienstagabend mit dem US-Handelsbeauftragten Jamieson Greer sprechen. Es werde ein entsprechendes Telefonat geben. Frankreichs Außenminister Jean-Noel Barrot sagte, Trumps jüngste Drohung komme Erpressung gleich. Es brauche eine Lösung, aber nicht um jeden Preis. Schwedens Finanzministerin Elisabeth Svantesson betonte, die EU müsste sich auf pauschale US-Zölle von zehn Prozent einstellen. “Das ist das niedrigste, was wir erwarten können.”

(Bericht von Philip Blenkinsop, Andreas Rinke, Simon Johnson, geschrieben von Christian Krämer. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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