– von Andreas Rinke
Zugspitze/Berlin (Reuters) – Die Bundesregierung will die Entwicklung und Nutzung von Zukunftstechnologien wie Künstlicher Intelligenz (KI) und Quantencomputing beschleunigen. Bis Ende 2025 sollen die deutschen Bewerbungen für sogenannte europäische KI Gigafactorys mit Wirtschaft, Wissenschaft und Ländern koordiniert werden, die 2027 in Betrieb gehen sollen, heißt es in der Hightech-Strategie des Forschungsministeriums, die der Nachrichtenagentur Reuters vorliegt. Dies sind besonders leistungsstarke Einrichtungen, mit denen etwa Firmen mit KI-Unterstützung Produktentwicklungen vorantreiben können. Noch 2025 soll erstmals in Deutschland ein Forschungssatellit zur Quantenkommunikation in Betrieb gehen. 2026 soll ein “KI-Robotikbooster” mit Leitprojekten für Mehrzweckroboter starten, 2027 dann ein neues Forschungsprogramm “Software-Engineering”. Das Bundeskabinett plant die Hightech-Strategie noch im Juli zu verabschieden.
“Mit einer KI-Offensive wollen wir bis 2030 zehn Prozent unserer Wirtschaftsleistung KI-basiert erwirtschaften und KI zu einem wichtigen Tool in zentralen Forschungsfeldern machen”, heißt es in der Hightech-Strategie des Forschungsministeriums. Deutschland und Europa befänden sich in einer Aufholjagd gegenüber USA und China. Nach einem Treffen von Kanzler Friedrich Merz und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder auf der Zugspitze betonten beide die Bedeutung der Hightech-Strategie für die Zukunft des Landes.
Forschungs- und Technologieministerin Dorothee Bär (CSU) will dabei ausdrücklich den Fokus nicht nur auf die Entwicklung, sondern auch auf die wirtschaftliche Umsetzung der Forschungsergebnisse legen. Im Fokus der Hightech-Strategie steht deshalb die Verknüpfung der Forschung mit der Umsetzung in konkrete Anwendungen. “Studien errechnen ein Potenzial an zusätzlicher Wertschöpfung durch KI von 300 bis 400 Milliarden Euro pro Jahr in Deutschland und zehnmal so viel weltweit”, heißt es in dem Papier mit Blick auf die kommenden Jahre.
Deutschland verzeichne zwar in der frühen Phase der Innovation Erfolge, falle jedoch in der Kommerzialisierung von KI deutlich zurück. “Dadurch entstehen Wettbewerbsnachteile und Abhängigkeiten.” Die vom Ministerium als exzellent eingestufte KI-Forschung in Deutschland müsse mit Anwendungsfeldern etwa bei Robotik, Maschinenbau, Automobil- und Chemieindustrie, Cleantech und Medizintechnik verknüpft werden.
MIT QUANTENTECHNOLOGIE KRANKHEITEN FRÜHER ERKENNEN
Ähnliche Pläne gibt es für die Quantentechnologie, die Rechnerleistungen enorm beschleunigen soll: “Im Quantencomputing werden wir bis zum Jahr 2030 zwei fehlerkorrigierte Quantencomputer auf europäischem Spitzenniveau realisieren und diese Nutzern zugänglich machen”, heißt es. Die Hightech-Strategie nennt Zielmarken für konkrete Anwendungen: Bis 2030 sollen etwa Quantensensoren zur Verfügung stehen, um Krankheiten früher zu erkennen. Der Start eines zweiten quantengestützten Kleinstsatelliten sei für 2026 vorgesehen. Zudem soll es 2026 mindestens drei sogenannte Knotenpunkte und Testzentren geben, in denen Forschungseinrichtungen mit Anwendungsindustrien zusammenarbeiten. “Auf diese Weise wird der Grundstein für die Industrialisierung von Quantencomputern in der nächsten Dekade gelegt”, heißt es.
Die Anwendungsfelder müssten stärker entwickelt werden. Dabei geht es um Quantencomputing für besonders leistungsfähige Rechner, Quantensensorik etwa für das Erkennen von Krankheiten und die effizientere Herstellung von Medikamenten sowie Quantenkommunikation für abhörsichere Kommunikationswege. “Das Potenzial zur Wertschöpfung bis zum Jahr 2035 liegt bei etwa zwei Billionen US-Dollar”, heißt es.
Bayerns Ministerpräsident Söder bat die Bundesregierung um Unterstützung für die KI-Gigafactory, für die Bayern bei der EU-Kommission eine Interessensbekundung abgegeben hat. Mit der TU München habe man eine der besten Universitäten, mit SAP, Siemens, Allianz, BMW, Rohde und Schwarz aber auch zahlreiche wichtige Firmen mit an Bord. Die sogenannten KI-Gigafactorys kosten zwischen drei und fünf Milliarden Euro, die EU-Kommission will bis zu fünf mit Milliardensummen fördern. Söder verwies mit Blick auf die bereits existierende bayrische Hightech-Agenda darauf, dass sein Land auch beim Thema Quantencomputing mit vorne dabei sein wolle. Man wolle in Deutschland zwei, vielleicht drei Standorte für Quantencomputer haben.
Kanzler Merz kündigte an, dass man im Rahmen der Hightech-Strategie des Bundes “in ähnlicher Größenordnung noch einmal Geld in die Hand nehmen, um wirklich technologisch aufzuholen, wo wir das tun müssen”. Auch er nannte Quantencomputing, Digitalisierung sowie CO2-freie Mobilität.
(Mitarbeit: Rachel Moore; redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)