Verfassungsgericht weist Klage gegen US-Drohneneinsätze ab

Karlsruhe (Reuters) – Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass Deutschland nicht gegen US-Drohneneinsätze vorgehen muss, die über den Militärstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz unterstützt werden.

Das Gericht wies am Dienstag Verfassungsbeschwerden von zwei jemenitischen Staatsangehörigen ab.

Die Beschwerdeführer hatten geltend gemacht, dass es immer wieder zu zivilen Opfern im Jemen komme, sie selbst hätten zwei nahe Verwandte verloren und lebten in ständiger Angst. Deutschland trage Mitverantwortung für die Völkerrechtsverletzung, weil die Drohneneinsätze von der Air Base Ramstein aus technisch unterstützt werden.

Das Bundesverfassungsgericht bestätigte in seinem Urteil allerdings, dass Deutschland grundsätzlich einen Schutzauftrag für die Einhaltung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts auch für Menschen im Ausland haben kann. Eine Bedingung dafür sei, dass die Gefahr von Rechtsverletzungen einen hinreichenden Bezug zur Bundesrepublik Deutschland habe. Zweite Bedingung sei eine ernsthafte Gefahr, dass der Drittstaat – hier die USA – das humanitäre Völkerrecht und die internationalen Menschenrechte systematisch verletzt.

Bei der Prüfung, ob eine Gefahr durch das Handeln eines Drittstaates vorliege, hätten die deutschen Staatsorgane einen weiten Spielraum. Im Rahmen dessen sei nicht feststellbar, dass die USA bei ihren bewaffneten Drohneneinsätzen im Jemen systematisch Völkerrecht verletze und es zu exzessiven zivilen Schäden komme, urteilte das Gericht.

Vizepräsidentin Doris König sagte in ihrer Einführung: “Insbesondere konnte nicht festgestellt werden, dass die USA in dem … Konflikt im Jemen unvertretbare Kriterien zur Abgrenzung legitimer militärischer Ziele von geschützten Zivilpersonen anwendet.”

Die Bundesregierung sehe die USA nicht als Völkerrechtsverletzer – diese Einschätzung sei vertretbar, urteilte das Gericht. Die USA hätten zwar andere Kriterien als das Internationale Komitee des Roten Kreuzes, wenn es darum gehe, legitime militärische Ziele zu bestimmen. Diese US-Rechtsauffassung liege aber noch im Rahmen des Völkerrechts. Daher bewege sich die Bundesregierung “im weiten Einschätzungsspielraum in der Außen- und Sicherheitspolitik”, wenn sie die US-Position als vertretbar einstufe.

Die beiden Kläger, jemenitische Staatsbürger, die auch im Jemen leben, waren bei der Urteilsverkündung in Karlsruhe nicht anwesend. Ihr Anwalt, Andreas Schüller, nannte das Urteil enttäuschend. Es sei „ein schwerer Schlag für die Betroffenen”. Schüller räumte ein, dass sich die Lage im Jemen seit 2014 für Zivilpersonen etwas verbessert habe. Die USA hätten Maßnahmen ergriffen, um Zivilisten besser zu schützen.

Das Europäische Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte (ECCHR), das die Kläger unterstützt hatte, kritisierte das Urteil: “In einer Zeit, in der die Bindung staatlichen Handelns an das Völkerrecht zunehmend infrage gestellt wird, hat das Gericht versäumt, ein starkes Zeichen zu setzen,” teilte das ECCHR mit. “Stattdessen bleibt der individuelle Rechtsschutz eine theoretische Möglichkeit ohne praktische Konsequenzen.”

Die Bundesregierung sah im Urteil ein “wichtiges Signal für unser außen- und sicherheitspolitisches Handeln”. In einem gemeinsamen Statement von Verteidigungs- und Außenministerium hieß es: “Auch in Zukunft wird sich die Bundesregierung, nicht zuletzt aufgrund des vom BVerfG betonten Schutzauftrages, für die Einhaltung des Völkerrechts und die Sicherheit aller Menschen auch außerhalb des Anwendungsbereichs der Grundrechte einsetzen.”

Die Klage der zwei im Jemen lebenden Bürger hatte eine wechselvolle juristische Vorgeschichte. Das Verwaltungsgericht lehnte 2015 ihre Klage ab, das Oberverwaltungsgericht Münster gab ihnen dagegen recht: Die Bundesrepublik ergreife unzureichende Maßnahmen, um zivile Opfer durch bewaffnete Drohnen unter Nutzung der Air Base Ramstein zu verhindern. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig lehnte dann aber 2020 die Klage der Jemeniten ab. Dagegen legten diese Verfassungsbeschwerde ein, die jetzt im Ergebnis erfolglos blieb.

(Bericht von Ursula Knapp, redigiert von Kirsti Knolle)

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