Windkraft-Ausbau zieht an – Branche warnt vor Aufweichung der Ziele

– von Holger Hansen

Berlin (Reuters) – Der Ausbau der Windkraft an Land in Deutschland hat im ersten Halbjahr 2025 an Schwung gewonnen, bleibt aber weiter deutlich hinter den gesetzlich festgelegten Zielen zurück.

Der Bundesverband Windenergie (BWE) und der Fachverband VDMA Power Systems riefen am Dienstag die Bundesregierung auf, die Rahmenbedingungen stabil zu halten und Investitionen zu sichern. Mit Blick auf einen von Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) beauftragten Prüfbericht zum Stand der Energiewende warnten beide Verbände davor, die Klimaziele oder die Ausbauziele für Erneuerbare Energien aufzuweichen. “Wir sind hier Vorreiter, und wir haben hier als führende Industrienation unsere Aufgabe”, sagte BWE-Präsidentin Bärbel Heidebroek. “Da dürfen wir nicht über Klimaziele diskutieren.”

Der Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch ist im ersten Halbjahr 2025 trotz des beschleunigten Ausbaus der Windkraft gesunken. Der Ökostrom-Anteil habe 54 Prozent nach 57 Prozent im Vorjahreszeitraum betragen, teilten der Energieverband BDEW und das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung (ZSW) mit. Die Gründe für den Rückgang seien vor allem ein außergewöhnlich windschwaches erstes Quartal und geringe Niederschläge, die die Stromerzeugung aus Wasserkraft einbrechen ließen. Ein starker Zuwachs bei der Solarenergie habe dies nicht vollständig ausgleichen können.

WINDKRAFTZUBAU UM 67 PROZENT GESTIEGEN

Insgesamt wurden im ersten Halbjahr 409 neue Windkraft-Anlagen mit einer Leistung von 2,2 Gigawatt (GW) in Betrieb genommen, so viel wie seit 2017 nicht mehr in einem ersten Halbjahr. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum stiegen die Inbetriebnahmen laut BWE und VDMA Power Systems um 67 Prozent. Zugleich hätten die Genehmigungen für neue Windräder mit 7,8 GW einen Rekordwert erreicht. Für das Gesamtjahr rechnen die Verbände mit einem Brutto-Zubau von 4,8 bis 5,3 GW. Im ersten Halbjahr lag der Netto-Zubau demnach unter Berücksichtigung von 210 stillgelegten Altanlagen bei rund 1,9 GW.

Die Verbände sehen die Windenergie zwar “auf Kurs”, mahnen aber zur Eile. “Die EEG-Zubauziele werden frühestens ab 2026 erreichbar”, sagte Heidebroek. Erforderlich seien jährlich zehn Gigawatt. Als positives Zeichen werteten die Verbände die gesunkene Dauer für Genehmigungen, die sich mit durchschnittlich gut 18 Monaten um mehr als ein Fünftel verkürzt habe.

Heidebroek warnte davor, die von Reiche beauftragte Strombedarfsprognose zu niedrig anzusetzen. Der Bedarf werde durch die Transformation der Industrie, neue Rechenzentren und Anwendungen wie Künstliche Intelligenz deutlich steigen. Der Netzausbau müsse beschleunigt und Genehmigungsverfahren, etwa für Großtransporte, müssten weiter vereinfacht werden.

Dennis Rendschmidt von VDMA Power verwies darauf, dass viele Probleme nicht im Ausbau der Wind- oder Solarkraft, sondern in der fehlenden Synchronisierung mit dem Netzausbau zu finden seien: “Wir machen unsere Hausaufgaben mit dem Ausbau der Erneuerbaren. Aber die Netze kommen nicht nach.”

Deutschland will bis 2030 einen Anteil Erneuerbarer Energien am Stromverbrauch von 80 Prozent erreichen. Windenergie an Land spielt dabei die wichtigste Rolle.

(Bericht von Holger Hansen. Redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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