Damaskus (Reuters) – Nach neuen israelischen Luftangriffen auf Damaskus haben sich die syrischen Drusen und die Regierung in Damaskus auf eine sofortige Waffenruhe in der umkämpften Stadt Suweida geeinigt.
Das teilte der religiöse Führer der Drusen, Scheich Jussef Jarbou, in einem vom Staatsfernsehen ausgestrahlten Video am Mittwoch mit. Die israelischen Angriffe nahmen vor allem das syrische Verteidigungsministerium ins Visier, sie sind Vergeltung für Angriffe von Regierungstruppen auf Drusen-Gemeinden in Suweida im Süden des Landes. Dabei wurden nach Angaben von Rettungskräften fünf Sicherheitskräfte getötet.
Eine frühere, am Dienstagabend verkündete Waffenruhe zwischen den Drusen und der Regierung war nach nur wenigen Stunden gescheitert. Einem Augenzeugen der Nachrichtenagentur Reuters zufolge war auch nach der neuen Verkündung am Mittwoch noch Feuer von Regierungstruppen in der überwiegend von Drusen bewohnten Stadt zu hören. Hintergrund der israelischen Angriffe sind schwere Kämpfe in und um die südliche Stadt Suweida in den vergangenen Tagen. Dort wurden in dieser Woche nach unterschiedlichen Angaben zwischen 169 und 300 Menschen getötet.
In den Kämpfen stehen sich Milizen der drusischen Minderheit und syrische Regierungstruppen sowie Angehörige von Beduinenstämmen gegenüber. Israel gibt an, die Drusen schützen zu wollen. “Wir sind umzingelt und hören die Kämpfer schreien, wir haben solche Angst”, sagte ein Einwohner der überwiegend von Drusen bewohnten Stadt telefonisch. Die Regierung in Damaskus entsandte am Montag Truppen in die Region, um Kämpfe zwischen Drusen und Beduinen zu beenden, geriet dann jedoch selbst in Gefechte mit den Drusen-Milizen.
ISRAEL WILL KEINE SYRISCHE MILITÄRPRÄSENZ AN GRENZE
Reporter der Nachrichtenagentur Reuters hörten am Mittwoch Kampfflugzeuge im Tiefflug über Damaskus und sahen eine dichte Rauchwolke über dem Verteidigungsministerium aufsteigen. Dabei schlug nach Angaben eines Augenzeugen ein israelisches Geschoss auch direkt neben dem Präsidentenpalast ein. Das israelische Militär forderte den Rückzug der syrischen Regierungstruppen aus der Drusen-Region. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mahnte die drusischen Bürger Israels, nicht die Grenze nach Syrien zu überqueren. Die Lage dort sei “sehr ernst”, sagte Netanjahu. Sie könnten entführt oder getötet werden. Zuvor hatten Dutzende israelische Drusen den Grenzzaun zu Syrien durchbrochen, um Drusen auf der syrischen Seite beizustehen.
Israel will nach eigenen Angaben eine Militärpräsenz der syrischen Armee an der gemeinsamen Grenze nicht zulassen. Ein Vertreter des israelischen Militärs sagte ferner, die syrische Armee sei Teil des Problems und nicht die Lösung der Krise, da sie nichts zum Schutz der drusischen Minderheit getan habe. Israel stehe wegen der Lage in Syrien in engem Kontakt mit den USA und sei nach den zahlreichen Luftangriffen auf syrische Ziele in den vergangenen 24 Stunden auf jede Eventualität vorbereitet.
Die US-Regierung forderte Israel einem Medienbericht zufolge erneut auf, seine Angriffe auf Syrien einzustellen. Zudem solle Israel in einen Dialog mit der Regierung in Damaskus treten, berichtete das Nachrichtenportal Axios unter Berufung auf einen hochrangigen US-Regierungsvertreter. Axios ließ offen, ob die Aufforderung vor oder nach den israelischen Angriffen vom Mittwoch auf das syrische Militärhauptquartier und den Präsidentenpalast in Damaskus erfolgte.
Die syrische Regierung machte ihrerseits “gesetzlose Banden” für die Gewalt verantwortlich und versprach, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Die Gewalt stellt den Übergangspräsidenten Ahmed al-Scharaa vor große Herausforderungen. Er versucht trotz einer Annäherung an die USA, das Land zu einen, stößt dabei jedoch auf den Widerstand von Gruppen, die eine islamistische Herrschaft ablehnen.
(Bericht von Khalil Ashawi in Damaskus, Maya Gebeily, Yamam al-Shaar und Laila Bassam in Beirut, Steven Scheer in Jerusalem, Tala Ramadan in Dubai; Bearbeitet von Alexander Ratz; Redigiert von Kerstin Dörr; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)