Klingbeil: Keine Zustimmung zu Finanzvorschlägen der EU-Kommission

(neu: Klingbeil im Reuters-Interview)

Durban/Berlin (Reuters) – Finanzminister Lars Klingbeil hat die Vorschläge der EU-Kommission zum künftigen EU-Finanzrahmen von 2028 bis 2035 zurückgewiesen.

Die Bundesregierung habe sicher Interesse an einer starken Europäischen Union, sagte der SPD-Co-Vorsitzende am Donnerstag im südafrikanischen Durban. “Aber ich will Ihnen schon sagen, dass beim ersten Drüberblick vieles, was jetzt von der Kommission vorgeschlagen ist, nicht auf unsere Zustimmung stößt”, fügte er hinzu. “Wir müssen bei den Finanzen absolut im Verhältnis bleiben. Das sehe ich jetzt nicht als gewahrt an.” Die EU-Kommission hatte einen deutlich angehobenen Finanzrahmen von rund zwei Billionen Euro vorgeschlagen – nach 1,2 Billion Euro für den Zeitraum 2021 bis 2027.

Der Finanzminister nannte diese Vorschläge im Reuters-TV-Interview “zu überambitioniert”. Er betonte zudem, dass er keinen Ausweg über Gemeinschaftsschulden in der EU sehe. “Wir haben immer wieder gemeinsame Schulden gemacht. Insgesamt müssen wir die Finanzen der Europäischen Union anders lösen als über eine gemeinsame Schuldenpolitik.” Die EU stecke derzeit nicht in einer Krise wie nach der Corona-Pandemie. Man müsse etwa im Verteidigungsbereich schauen, wie man jeden Euro effektiver ausgeben könne.

Klingbeil lehnte zudem die Vorschläge ab, wie die EU mehr Eigenmittel, also eigene Einnahmen, generieren kann. “Wir sehen auch, dass zum Beispiel bei der Frage der Tabaksteuer hier Vorschläge gemacht werden, die wir national nicht mitmachen können”, sagte der Vizekanzler. “Diese Unternehmensbesteuerung, die jetzt von der Europäischen Kommission vorgeschlagen wird, (ist) in dieser Form das falsche Signal”, betonte er. Die EU-Kommission hatte eine neue Abgabe für Unternehmen vorgeschlagen, die einen Umsatz von mehr als 50 Millionen Euro haben. Die Bundesregierung wolle aber die Wettbewerbsfähigkeit stärken und Arbeitsplätze erhalten. Wenn man Deutschland und Europa als sicheren Hafen für Investitionen wolle, sei eine solche Abgabe kontraproduktiv. Auch die Wirtschaftsverbände sowie die CDU/CSU hatten die Besteuerungspläne klar abgelehnt.

Bereits am Mittwochabend hatte Regierungssprecher Stefan Kornelius die Ablehnung weiter Teile der Vorschläge deutlich gemacht. “Ein umfassender Aufwuchs des EU-Haushalts ist nicht vermittelbar in Zeiten, in denen alle Mitgliedsstaaten erhebliche Anstrengungen zur Konsolidierung der nationalen Haushalte unternehmen”, hatte er mitgeteilt. “Daher werden wir den Vorschlag der Kommission nicht akzeptieren können.” Allerdings sei der Reformansatz der Kommission und die Ausrichtung des Haushalts auf neue Prioritäten richtig, sagte der Sprecher.

Die EU-Kommission hatte am Mittwoch erste Vorschläge für die künftigen EU-Finanzen vorgelegt. Dabei schlug EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch ein Gesamtvolumen von zwei Billionen Euro vor. Die Vorschläge der Kommission bilden den Auftakt für nun folgende Verhandlungen der 27 EU-Regierungen, die sich einstimmig auf eine Position einigen müssen. Zudem bedarf es einer Einigung mit dem Europäischen Parlament. Es wird erwartet, dass sich die Verhandlungen bis 2027 hinziehen.

(Bericht von Maria Martinez, Andreas Rinke; redigiert von Christian Rüttger. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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