(Durchgehend neu)
Kiew (Reuters) – Das ukrainische Parlament hat am Donnerstag erstmals seit fünf Jahren eine neue Ministerpräsidentin ernannt.
Die 39-jährige Julia Swyrydenko soll im Auftrag von Präsident Wolodymyr Selenskyj die heimische Waffenproduktion ankurbeln und die kreditabhängige Wirtschaft des Landes wiederbeleben. Die Ernennung ist Teil einer umfassenden Regierungsumbildung, mit der die Kriegsführung neu ausgerichtet werden soll, da die Aussichten auf einen Frieden mit Russland schwinden. Swyrydenko erhielt 262 Stimmen in dem 450 Sitze zählenden Parlament.
Selenskyj sagte in einer Rede vor dem Parlament, er erwarte von seiner neuen Regierung, dass sie den Anteil heimischer Waffen auf dem Schlachtfeld innerhalb von sechs Monaten von 40 auf 50 Prozent erhöhe. Swyrydenko, eine erfahrene Technokratin, die seit 2021 als erste stellvertretende Ministerpräsidentin diente, versprach, “schnell und entschlossen” zu handeln. “Der Krieg lässt keinen Raum für Verzögerungen”, schrieb sie auf der Plattform X. “Unsere Prioritäten für die ersten sechs Monate sind klar: verlässliche Versorgung der Armee, Ausbau der heimischen Waffenproduktion und Stärkung der Technologie unserer Verteidigungskräfte.” Das Parlament soll zudem den scheidenden Ministerpräsidenten Denys Schmyhal zum Verteidigungsminister ernennen.
“ECHTE EINSPARUNGEN”
Swyrydenko übernimmt die Regierungsgeschäfte in einer Zeit, in der russische Streitkräfte eine zermürbende Offensive entlang der mehr als 1000 Kilometer langen Frontlinie vorantreiben und die Luftangriffe auf ukrainische Städte verstärken. Da die Staatseinnahmen in die Verteidigung fließen, muss Kiew zudem Wege finden, sein wachsendes Haushaltsdefizit zu finanzieren, da die ausländische Hilfe zurückgeht. Behördenvertretern zufolge könnte im kommenden Jahr eine Lücke von mehr als 16 Milliarden Euro entstehen. Swyrydenko kündigte an, ihre Regierung werde eine vollständige Prüfung der öffentlichen Finanzen einleiten, um “echte Einsparungen” zu erzielen. Zudem wolle sie großangelegte Privatisierungen beschleunigen und Unternehmer unterstützen.
Die neue Ministerpräsidentin ist auch der Regierung von US-Präsident Donald Trump bekannt. Sie hatte ein Abkommen ausgehandelt, das den USA einen bevorzugten Zugang zu den Bodenschätzen der Ukraine gewährt. Selenskyj sagte am Donnerstag vor den Abgeordneten, es werde weitere Abkommen mit den USA geben, nannte jedoch keine Einzelheiten. Einige Abgeordnete der Opposition äußerten sich skeptisch über die Fähigkeit der neuen Regierung, unabhängig von Selenskyj zu agieren. “Das Präsidialamt wird ihnen sagen, was sie wirklich tun sollen”, schrieb Jaroslaw Schelesnjak von der Partei Holos.
(Bericht von Anastasiia Malenko und Max Hunder; Bearbeitet von Alexander Ratz; Redigiert von; Bei Rückfragen wenden Sie sich an berlin.newsroom@tr.com)