– von Trevor Hunnicutt und Mariko Katsumura und Philip Blenkinsop und Andreas Rinke
Washington/Tokio/Brüssel/Berlin (Reuters) – Nach dem Handelsabkommen zwischen den USA und Japan richten sich die Blicke auf die zähen Verhandlungen mit der EU.
Die EU-Kommission teilte am Mittwoch mit, weiter auf eine Verhandlungslösung im Zollstreit mit den USA zu setzen. Die Bundesregierung sieht die Verständigung zwischen Washington und Tokio nicht als Blaupause für ein transatlantisches Abkommen. “Die Handelssituation ist nicht vergleichbar”, sagte Regierungssprecher Stefan Kornelius in Berlin. An den Börsen sorgte das Abkommen für Euphorie. Es wird auf weitere Kompromisse gesetzt und damit eine Abrüstung im Handelskrieg. Allerdings kommt Japan den USA ein großes Stück entgegen.
Die USA werden künftig Präsident Donald Trump zufolge Zölle in Höhe von 15 Prozent auf Importe aus Japan erheben. Ursprünglich hatte der Republikaner mit 25 Prozent gedroht. Zudem werde Japan 550 Milliarden Dollar in den Vereinigten Staaten investieren, schrieb Trump in seinem Online-Netzwerk Truth Social. Japan werde den Zugang für amerikanische Hersteller von Autos, Lastwagen, Reis und bestimmten landwirtschaftlichen Produkten auf seinen Märkten erleichtern. Nach Angaben des Weißen Hauses hat Japan zugesagt, 100 Flugzeuge von Boeing zu kaufen. Die Rüstungsgeschäfte mit US-Firmen sollten zudem von 14 auf 17 Milliarden Dollar pro Jahr erhöht werden.
Autos aus Japan machen mehr als ein Viertel des Exportvolumens Richtung USA aus. Japans Ministerpräsident Shigeru Ishiba zufolge werden für sie auch die 15 Prozent gelten. Bisher waren es 25 Prozent. Es gebe zudem keine Export-Obergrenzen. Stahl und Aluminium wurden bei dem Deal ausgeklammert, wie der japanische Chefverhandler Ryosei Akazawa sagte. Hier gelten weiterhin US-Zölle von 50 Prozent.
FRIST FÜR EU LÄUFT ENDE JULI AB
Die EU-Kommission betonte, Gespräche mit den USA hätten derzeit Priorität. Man werde sich allerdings parallel auf alle möglichen Szenarien vorbereiten, einschließlich möglicher Gegenmaßnahmen. EU-Handelskommissar Maros Sefcovic sollte am Nachmittag mit US-Handelsminister Howard Lutnick beraten. Trump hatte der EU zuletzt mit pauschalen Zöllen von 30 Prozent gedroht. Nach EU-Darstellung hätten sie das Potenzial, den gegenseitigen Handel massiv zu beeinträchtigen.
Die Brüsseler Behörde plant, ihre beiden Pakete mit Gegenmaßnahmen zusammenzufassen. Gegenzölle würden dann im Notfall auf Importe aus den USA im Wert von 93 Milliarden Euro angewendet. Die 27 EU-Staaten müssen den Plänen noch zustimmen. Bisher hat die EU besonnen auf bereits geltende US-Sonderzölle reagiert und keine Gegenmaßnahmen in Kraft gesetzt. Sie hat lediglich damit gedroht. “Sieben Tage vor dem Verhandlungsende sollte man auch zeigen, was man kann”, hieß es in deutschen Regierungskreisen.
An der Börse nährte das US-Handelsabkommen mit Japan die Hoffnung der Aktienanleger auf weitere Vereinbarungen. Auto-Aktien waren gefragt. Der Dax stieg um ein Prozent auf 24.250 Punkte, der EuroStoxx50 gewann 1,4 Prozent auf 5363 Zähler. In Tokio kletterte der Nikkei-Index um 3,5 Prozent auf ein Ein-Jahres-Hoch. Einige Börsenexperten betonten, die ständige Unsicherheit schade der Wirtschaft am meisten. Zölle in Höhe von 15 Prozent seien zwar sehr hoch, aber zumindest planbar.
EU SUCHT SCHULTERSCHLUSS MIT JAPAN
Ökonomen in Europa rechnen bis Ende des Jahres mit einem deutlich erhöhten Zollniveau auf Einfuhren aus den USA. Im Durchschnitt erwarten sie, dass die Zölle auf US-Produkte bei 18 Prozent liegen werden, wie aus einer Umfrage des Münchner Ifo-Instituts unter internationalen Wirtschaftsexperten hervorging. Ökonomen in Frankreich, Spanien und Portugal rechnen demnach mit Zöllen zwischen 20 und 25 Prozent, während Länder in Mitteleuropa wie Deutschland von 15 bis 20 Prozent ausgehen. Die niedrigsten Zollbelastungen erwarten Ökonomen in Schweden, Bulgarien und Italien mit 10 bis 15 Prozent.
Die EU und Japan wollen unterdessen enger zusammenarbeiten, um unlautere Handelspraktiken und wirtschaftlichen Druck gegen ihre Länder abzuwehren. Das erklärte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch in Tokio nach dem EU-Japan-Gipfel, an dem auch Ministerpräsident Ishiba teilnahm.
2024 importierten die USA Fahrzeuge und Autoteile im Wert von über 55 Milliarden Dollar aus Japan, während nur etwas mehr als zwei Milliarden Dollar aus den USA in den japanischen Markt verkauft wurden. Die USA sind für Japan insgesamt der wichtigste Exportmarkt. “Das Ergebnis der Handelsverhandlungen dürfte die japanischen Erwartungen nicht vollständig erfüllen, insbesondere was diese produktspezifischen Zölle angeht”, sagte die Börsenexpertin Naomi Fink vom Vermögensverwalter Nikko Asset Management.
(Geschrieben von Christian Krämer, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)