EU rüstet sich im Handelsstreit für Notfall – Einigung aber noch möglich

Brüssel/Berlin (Reuters) – Die EU rüstet sich für eine mögliche Eskalation im Handelsstreit mit den USA.

Die Europäische Kommission bestätigte am Donnerstag, dass die 27 EU-Staaten mit überwältigender Mehrheit grünes Licht für die Pläne gegeben hätten, im Notfall Gegenzölle auf US-Produkte im Wert von 93 Milliarden Euro erheben zu können. Vor dem 7. August soll aber nichts davon in Kraft gesetzt werden. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte nach dem EU-China-Gipfel in Peking, es werde weiter eine Verhandlungslösung mit den USA angestrebt. Bis dahin blieben mögliche Gegenmaßnahmen aber auf dem Tisch. Italien forderte einen Deal nach dem Vorbild von Großbritannien oder Japan. Dieser würde zwar die schlimmsten Zollsätze abwenden, den USA aber deutlich mehr Vorteile einbringen.

EU-Insider sagten der Nachrichtenagentur Reuters, bei den angedachten Gegenmaßnahmen würden Zölle von bis zu 30 Prozent greifen – spiegelbildlich zu den angedrohten US-Zöllen. Ende Juli läuft eine Frist von US-Präsident Donald Trump für die Gespräche ab. Anfang August könnten dann pauschale Zölle von 30 Prozent auf europäische Exporte in die USA fällig werden. Das dürfte massive Auswirkungen auf den transatlantischen Handel haben, so Experten.

Ein erstes Paket an Gegenmaßnahmen der EU würde einem EU-Vertreter zufolge ab dem 7. August in Kraft treten – mit Ausnahme von Zöllen auf Sojabohnen und Mandeln, die erst ab dem 1. Dezember erhoben würden. Ein zweites Paket würde in zwei Stufen zünden und zwar zum 7. September und dann 7. Februar. Bisher hat die EU zwar viel über Gegenmaßnahmen gesprochen, aber nichts in Kraft gesetzt. Trump hatte einige der neuen US-Zölle zwar ausgesetzt, 70 Prozent der EU-Exporte sind aber in irgendeiner Form betroffen.

DEAL IN REICHWEITE?

Ein Sprecher der Kommission sagte in Brüssel, die intensiven Beratungen zwischen beiden Seiten würden fortgesetzt. “Unser Fokus liegt darauf, am Verhandlungstisch eine Lösung mit den USA zu finden, und wir glauben, dass ein solches Resultat in Reichweite ist.” Italiens Industrieminister Adolfo Urso will eine faire und nachhaltige Einigung erreichen – ähnlich wie Großbritannien und Japan. Großbritannien hatte sich im Mai mit den USA auf Zölle von zehn Prozent geeinigt, Japan in dieser Woche auf 15 Prozent. Allerdings hat Japan auch weitere Zugeständnisse gemacht – und will 550 Milliarden Dollar in den Vereinigten Staaten investieren, 100 Flugzeuge von Boeing kaufen und die Rüstungsgeschäfte mit US-Firmen aufstocken.

Unklar ist noch, was die EU den USA zusätzlich anbieten könnte. Ein Diplomat sagte, es laufe nicht auf ein Versprechen mit Investitionen in den USA hinaus. An anderer Stelle hieß es, die EU könnte ihre eigenen Zölle reduzieren. Auf amerikanische Autos werden beispielsweise derzeit zehn Prozent erhoben.

In deutschen Regierungskreisen hieß es, die Unsicherheit werde vermutlich auch bei einer Einigung nicht weichen. Die EU sitze nicht am längeren Hebel und werde deswegen Zugeständnisse machen müssen. Auch Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte diese Woche bereits eingeräumt, sich auf einen Deal einzustellen, der den USA mehr nützt als Europa. “Zu einem symmetrischen Zollabkommen sind die Amerikaner ganz offensichtlich nicht bereit.”

(Bericht von Philip Blenkinsop, Benoit Van Overstraeten, Christian Krämer und Andreas Rinke, redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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