Ökonomen begrüßen Intel-Aus in Magdeburg – “Kommt zur rechten Zeit”

Berlin (Reuters) – Ökonomen begrüßen den Intel-Verzicht auf den mit milliardenschweren Subventionen geplanten Bau eines Chip-Werks in Magdeburg.

“Intel ist im Mikrochip-Markt derzeit nicht wettbewerbsfähig und muss nun umstrukturieren”, sagte die Leiterin des Forschungsbereichs “Digitale Ökonomie” am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim, Irene Bertschek, am Freitag. “Daher kommt die Absage noch zur rechten Zeit. Schlimmer wäre es gewesen, die zehn Milliarden Euro wären schon ausgezahlt worden.”

Ähnlich wird das am Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) gesehen. “Der Staat sollte sich auf die allgemeinen Rahmenbedingungen konzentrieren und es den Marktprozessen überlassen, welche Wirtschaftsstrukturen sich herausbilden”, sagte der Direktor des IfW-Forschungszentrums Konjunktur und Wachstum, Stefan Kooths, der Nachrichtenagentur Reuters. “Der umgekehrte Weg, Strukturziele politisch vorzugeben und diese dann über Subventionen und Vorschriften herbeizuregulieren, führt in die Sackgasse.” Interventionistische Industriepolitik koste nicht nur viel Steuergeld, sondern auch Wachstum, weil die Ressourcen in Bereiche gelenkt würden, die im Wettbewerb nicht tragfähig seien.

Staatlichen Akteuren fehle das relevante Wissen und das richtige Anreizmuster. “Anders als private Investoren tragen sie nicht das Geschäftsrisiko”, sagte Kooths. Zugleich sind sie massivem Lobbyismus ausgesetzt, über den Partikularinteressen in die Staatskasse greifen. “Immerhin ist der größte Schaden im Fall Intel noch vermieden worden, weil das Unternehmen nun selbst die Reißleine gezogen hat”, sagte Kooths.

KEIN ZUSÄTZLICHER SPIELRAUM FÜR BUND?

Nachteile für die Region in Sachsen-Anhalt durch den Intel-Entscheid befürchtet das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) nicht. “Die Verkündung dieser Entscheidung selbst hat keine größeren Auswirkungen auf Produktion und Beschäftigung in der Region”, sagte IWH-Vizepräsident Oliver Holtemöller. “Man musste schon vorher davon ausgehen, dass Intel die Fabrik nicht bauen wird.” Zusätzlicher Ausgabenspielraum im Bundeshaushalt ergebe sich durch die Entscheidung nicht. Vielmehr werde der Spielraum aufgrund des Finanzgebarens der Regierung – steigende Zinslast durch höhere Staatsschulden, steigende Sozialausgaben – in Zukunft “deutlich eingeschränkt sein”, sagte Holtemöller.

Wenn solche Ansiedelungen ausländischer Unternehmen durch Steuergelder unterstützt werden, sollten diese auf jeden Fall langfristig im Sinne der regionalen Entwicklung angelegt werden, zum Beispiel in Forschungs- und Bildungsinfrastrukturen, erklärte ZEW-Expertin Bertschek. Diese können auch von anderen Unternehmen und Einrichtungen genutzt werden und würden nicht versenkt, “wenn das subventionierte Unternehmen pleitegeht oder weiterzieht”.

Wegen erneuter Milliardenverluste hat Intel am Donnerstag die Streichung Tausender Arbeitsplätze angekündigt. Zudem gab der einst weltgrößte Chip-Hersteller seine Pläne für ein Werk in Magdeburg endgültig auf. Der Bund wollte das Projekt mit zehn Milliarden Euro fördern.

(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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