Washington (Reuters) – Die US-Wirtschaft hat sich von ihrem durch Zollkonflikte verursachten Einbruch überraschend gut erholt.
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wuchs von April bis Juni aufs Jahr hochgerechnet um 3,0 Prozent, wie das Handelsministerium am Mittwoch zu seiner ersten Schätzung mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten nur mit einem Plus von 2,4 Prozent gerechnet. In den ersten drei Monaten des Jahres ist die weltgrößte Volkswirtschaft noch um 0,5 Prozent und damit erstmals seit rund drei Jahren geschrumpft, nicht zuletzt wegen höherer Einfuhren: Viele Importeure hatten die Zeit vor dem von US-Präsident Donald Trump im April eskalierten Zollstreit mit vielen wichtigen Handelspartnern genutzt, um Waren in die Vereinigten Staaten einzuführen.
“Zollbedingte Vorzieh- und Rückpralleffekte lassen die Wachstumsrate erst runter-, dann hochgehen”, sagte Ökonom Bastian Hepperle von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. “Sinnvollerweise interpretiert man daher das erste Halbjahr im Ganzen”, fügte Commerzbank-Ökonom Christoph Balz hinzu. Mit einem durchschnittlichen Quartalswachstum von 1,2 Prozent in diesem Jahr hätten die USA deutlich an Schwung verloren. “Wir gehen aber weiterhin davon aus, dass eine Rezession vermieden wird”, sagte Balz.
Wachstumstreiber war im Frühjahr der Außenhandel. Noch zu Jahresbeginn war das US-Handelsdefizit wegen vorgezogener Käufe zur Umgehung künftiger Zollerhöhungen angeschwollen. Im abgelaufenen Quartal brachen die Importe aber ein, weil die vorweggenommene Nachfrage fehlte. Der private Konsum – die wichtigste Stütze der US-Konjunktur – legte um vergleichsweise geringe 1,4 Prozent zu. Gesunken sind die Bauinvestitionen, nicht zuletzt wegen hoher Zinsen.
“DAS BREMST DEN KONSUM”
Viele Unternehmen dürften in den kommenden Monaten wegen der höheren Importzölle ihre Preise anheben. “Das bremst den privaten Konsum aus”, sagte Ökonom Hepperle. Zudem bleibe Planungsunsicherheit, da viele Handelskonflikte von US-Präsident Trump noch nicht beigelegt wurden. Für Unternehmen seien das schlechte Zeiten, Investitionen oder die Produktion stärker auszuweiten.
Das sehen auch andere Experten so. “Das Wachstum scheint nicht sonderlich nachhaltig zu sein, denn es ist vor allem von Rückpralleffekten im Außenhandel getrieben”, sagte Chefvolkswirt Cyrus de la Rubia von der Hamburg Commercial Bank. Strukturell schwäche sich die Wirtschaft ab. “Die Investitionen gehen in einem auffällig starkem Tempo zurück und auch der US-Konsument hält sich weiterhin zurück”, sagte der Experte. “Dies sind zwei recht deutliche Signale, dass Unternehmen und Haushalte in den Vereinigten Staaten auf Vorsicht bedacht sind.” Sie wollten erst einmal abwarten, was die US-Regierung in den kommenden Monaten mache.
Trotz ständiger Rufe aus dem Weißen Haus nach Zinssenkungen dürfte die unabhängige Notenbank Fed ihren Leitzins auch wegen der besseren Konjunktur nicht lockern. Für den am Mittwochabend anstehenden Zinsentscheid stellen sich die Finanzmärkte darauf ein, dass der Schlüsselsatz in der Spanne von 4,25 bis 4,50 Prozent bleiben wird. Die Fed hat ihn dieses Jahr noch nicht angetastet, auch wenn sich die Währungshüter seit dem Amtsantritt von Trump immer wieder mit Forderungen nach massiven Senkungen konfrontiert sehen. Die Zentralbank will zunächst abwarten, wie sich die Zollpolitik auf Inflation und Arbeitsmarkt auswirkt.
(Bericht von Büro Washington, geschrieben von Rene Wagner, Mitarbeit Reinhard Becker, redigiert von Christian Rüttger Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)