Washington/Brüssel (Reuters) -Kurz vor Ablauf der von US-Präsident Donald Trump gesetzten Frist für Verhandlungen im Handelsstreit deuteten sich für mehrere Länder sprunghaft höhere US-Zölle ab August an. Davon dürften unter anderem Brasilien und Indien betroffen sein. Südkorea verständigte sich dagegen auf ein Abkommen, das wie im Falle der EU und Japans deutliche Vorteile für die USA beinhaltete. Für China als zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt gilt noch eine Frist bis zum 12. August. Für die EU greifen ab Freitag die neuen US-Zölle von 15 Prozent auf die meisten Exporte in die Vereinigten Staaten. Sie dürften die Industrie in Europa spürbar bremsen.
“Ich glaube, wir haben die Voraussetzungen für einen Deal”, sagte US-Finanzminister Scott Bessent am Donnerstag in einem CNBC-Interview mit Blick auf China. Aber es sei noch nicht die volle Wegstrecke zurückgelegt. Die beiden größten Wirtschaftsmächte hatten am Montag und Dienstag auf neutralem Boden in Stockholm eine Lösung gesucht, aber nicht gefunden. Anders als erwartet wurde die Frist für Gespräche auch nicht verlängert. Zwischen den USA und China hatte sich die von Trump ausgelöste Spirale aus Zöllen und Gegenzöllen besonders hochgeschaukelt – bis in den Bereich von über 100 Prozent. Die meisten Zölle wurden dann aber ausgesetzt, um Zeit für Gespräche zu haben.
Verschärft hat sich die Auseinandersetzung zwischen Kanada und den USA, nachdem Trump die Pläne des Nachbarn zur Anerkennung eines palästinensischen Staats kritisierte. “Das wird es für uns sehr schwer machen, ein Handelsabkommen mit ihnen zu schließen”, so Trump. Sollte dies nicht gelingen, greifen ab August US-Zölle in Höhe von 35 Prozent auf sämtliche kanadischen Waren, die nicht unter das Freihandelsabkommen zwischen den USA mit Mexiko und Kanada fallen. Kanadas Ministerpräsident Mark Carney hatte die Verhandlungen mit Washington zuvor als konstruktiv bezeichnet, jedoch angedeutet, dass die Gespräche möglicherweise nicht bis zur Frist abgeschlossen werden.
Kanada ist nach Mexiko der zweitgrößte Handelspartner der USA und der größte Abnehmer von US-Exporten. US-Daten zufolge kaufte das Land im vergangenen Jahr Waren aus den USA im Wert von 349,4 Milliarden Dollar und lieferte Güter im Wert von 412,7 Milliarden Dollar in die USA. Trump stört sich an dem Defizit der USA mit zahlreichen Ländern, vor allem China und der EU.
SÜDKOREA-DEAL ÄHNLICH WIE EU UND JAPAN
Auf Lieferungen aus Südkorea – einem wichtigen Partner der Vereinigten Staaten in Asien – verlangen die USA künftig 15 Prozent, darunter auch Autos. Angedroht worden waren 25 Prozent. Das asiatische Land hat zudem Investitionen in Höhe von 350 Milliarden Dollar in den USA zugesagt, zudem Energiekäufe wie Flüssiggas für 100 Milliarden Dollar.
Eine ähnliche Struktur hat das Abkommen der EU und Japans mit den USA. In Europa wurde danach starke Kritik an der Verhandlungstaktik der EU-Kommission laut. Auch in der Bundesregierung hieß es, die EU sei wirtschaftlich zu schwach und müsse wettbewerbsfähiger werden, um auf Augenhöhe zu verhandeln. Während die USA höhere Zölle als in der Vergangenheit verlangen, liegen die europäischen Sätze deutlich niedriger. Diese Ungleichheit gilt auch für Japan und Südkorea.
Auch Weine und sonstige Alkoholika aus Europa werden einem EU-Vertreter zufolge ab Freitag mit US-Zöllen von 15 Prozent belegt, wie sie für fast alle Branchen gelten. Über eine andere Regelung werde vermutlich erst im Herbst gesprochen. Zuletzt galten zehn Prozent, jahrzehntelang aber null Prozent. Da würde die EU gerne wieder hin.
Brasilien drohen ab dem 6. August US-Zölle von 50 Prozent auf zahlreiche Produkte. Allerdings sind Flugzeuge, Energie und Orangensaft ausgenommen. Indien drohen ab Freitag 25 Prozent. Das schnell wachsende Land sträubt sich gegen Forderungen aus Washington, den indischen Agrar- und Molkereimarkt zu öffnen. Dies würde nach Angaben der Regierung in Neu-Delhi Millionen arme Landwirte treffen.
(Bericht der Reuters-Büros rund um die Welt, geschrieben von Christian Krämer. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)