US-Arbeitsmarkt kühlt im Sommer massiv ab – Fed vor Zinssenkung?

Washington (Reuters) – Der US-Arbeitsmarkt hat sich im Sommer merklich abgekühlt und Spekulationen auf eine baldige Zinssenkung genährt.

Im Juli kamen nur noch 73.000 neue Jobs außerhalb der Landwirtschaft hinzu, wie aus dem am Freitag veröffentlichten Bericht der Regierung hervorgeht. Von Reuters befragte Ökonomen hatten einen Zuwachs von 110.000 neuen Stellen auf dem Zettel. Zugleich wurde die Zahl der im Juni geschaffenen Stellen massiv abwärts revidiert – von 147.000 auf nur noch 14.000. Ein Alarmsignal für die US-Notenbank, die Vollbeschäftigung fördern soll.

Der US-Arbeitsmarktbericht für Juli sorgte für schlechte Stimmung an der Wall Street. “Die Zahlen sind schlechter ausgefallen als jede Prognose”, sagte Helen Given, Chefanlegerin beim Finanzdienstleister Monex. Der Knackpunkt sei die Abwärtskorrektur für den Vormonat. “Damit gerät die US-Notenbank beim Thema Leitzinssenkungen unter wirklich großen Zugzwang”, meint NordLB-Analyst Tobias Basse. Eine Zahl von 100.000 neuen Stellen pro Monat gilt einer Faustregel zufolge als nötig, um die wachsende US-Bevölkerung mit ausreichend Arbeitsplätzen zu versorgen.

Händler an den Terminmärkten stellen sich nun auf eine Zinssenkung der Notenbank Federal Reserve um einen Viertelprozentpunkt im September ein. Es wäre der erste Schritt nach unten in diesem Jahr. Weitere Argumente für eine Senkung lieferte die getrennt ermittelte Arbeitslosenquote: Sie stieg im Juli auf 4,2 Prozent, nach 4,1 Prozent im Juni.

In einer ersten Reaktion nannte die Chefin des regionalen Notenbankbezirks Cleveland, Beth Hammack, den Arbeitsmarktbericht “enttäuschend”. Doch stehe sie zu der jüngst beschlossenen Zinspause. “Ich sehe einen Arbeitsmarkt, der weitgehend im Gleichgewicht ist”, sagte sie Bloomberg TV. Es werde wichtig sein, die Lage am Arbeitsmarkt weiter in einer Zeit im Auge zu halten, in der die Inflation noch immer zu hoch sei.

LBBW-Ökonom Elmar Völker sieht die Fed in einem Dilemma: “Einerseits leuchten die Warnlampen am Arbeitsmarkt heller auf, was eine baldige Zinssenkung nahelegen würde. Andererseits gehen von der Zollpolitik noch immer erhebliche Aufwärtsrisiken für die Inflation aus.” In jedem Fall werden die Zölle die Konjunktur belasten, wie Christian Scherrmann, DWS-Chefvolkswirt USA, meint: “Entweder direkt durch höhere Preise oder indirekt durch eine weitere Abkühlung am Arbeitsmarkt, wenn die Unternehmen die Kosten auffangen.”

Ein weiteres Alarmzeichen kam unterdessen von der US-Industrie, die ihre Talfahrt im Juli überraschend beschleunigte. Dies geht aus der jüngsten Unternehmensumfrage des Institute for Supply Management (ISM) hervor. Auf das Verarbeitende Gewerbe entfallen gut zehn Prozent der Wirtschaftsleistung der USA, die im zweiten Quartal um aufs Jahr hochgerechnet 3,0 Prozent gewachsen war.

“WASSER AUF DIE MÜHLEN DER TAUBEN”

Die Zentralbank beließ den Leitzins am Mittwoch im Bereich von 4,25 bis 4,50 Prozent. Die Fed will ihrem Chef Jerome Powell zufolge mehr Klarheit darüber gewinnen, wie sich die von Zollerhöhungen geprägte Handelspolitik von US-Präsident Donald Trump auf das gesamte Konjunkturbild auswirkt.

Bei dem Zinsentscheid für eine erneute Pause gab es allerdings zwei Abweichler, die eine Senkung befürworteten. Direktorin Michelle Bowman begründete den Schritt mit “Anzeichen für einen weniger dynamischen Arbeitsmarkt”. Ihr Kollege Christopher Waller erklärte, die Fed sollte seiner Ansicht nach nicht mit einer Zinssenkung warten, bis sich der Arbeitsmarkt verschlechtert habe. Die jetzige abwartende Haltung der Fed sei aus seiner Sicht “übervorsichtig”.

“Die heute veröffentlichten Daten sind gewiss Wasser auf die Mühlen der geldpolitischen Tauben um Fed-Gouverneur Christopher Waller”, sagte LBBW-Experte Völker und fügte an: “Sie dürften zudem Donald Trump noch mehr in Rage versetzen.” Mit Tauben sind Währungshüter gemeint, die eher einen lockeren geldpolitischen Kurs bevorzugen. Trump hat Fed-Chef Powell immer wieder dafür kritisiert, dass die Notenbank die Zinsen in diesem Jahr nicht gesenkt hat.

(Bericht vom Reuters-Büro Washington, geschrieben von Reinhard Becker, Mitarbeit Zuzanna Szymanska, Rene Wagner, redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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