ProSiebenSat.1-Führung gibt Widerstand gegen Übernahme auf

München (Reuters) – Der Vorstand von ProSiebenSat.1 gibt den Widerstand gegen eine Übernahme des Fernsehkonzerns durch die italienische Berlusconi-Holding MFE endgültig auf.

Vorstand und Aufsichtsrat empfehlen ihren Aktionären nun, die aufgestockte Offerte der Italiener anzunehmen. Das Angebot – gut acht Euro in bar und in A-Aktien von MFE – sei “angemessen”, hieß es in der am Mittwoch veröffentlichten offiziellen Stellungnahme. Damit rückt ein Verkauf der Senderkette um Pro7, Sat.1 und Kabel 1 an MFE näher. Bindend für die Aktionäre von ProSiebenSat.1 ist die Empfehlung aber nicht.

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) warf dem ProSieben-Management vor, kurzsichtig zu handeln. “MFE bietet keine Gewähr für den Fortbestand von Medienvielfalt und kritischem Journalismus bei ProSiebenSat.1”, warnte der DJV-Vorsitzende Mika Beuster.

Die von der Familie Berlusconi dominierte MFE-MediaForEurope hatte in der vergangenen Woche ihr Übernahmeangebot auf 4,48 Euro in bar und 1,3 eigene A-Aktien aufgestockt. Das entspricht gut acht Euro. Bis dahin hatte sich ProSiebenSat.1 hinter die konkurrierende Offerte des zweiten Großaktionärs PPF gestellt, der die Unabhängigkeits-Strategie des Vorstands unterstützte und – im Gegensatz zu den Italienern – nicht von länderübergreifenden Synergien überzeugt ist. Die Erben des tschechischen Milliardärs Petr Kellner erteilten einer Erhöhung ihres Angebots über 7,00 Euro je Aktie aber am Freitag eine Absage. Beide Kaufangebote laufen noch bis zum 13. August.

Nach der Aufstockung der MFE-Offerte hatte sich bereits ein Sinneswandel bei ProSiebenSat.1-Chef Bert Habets abgezeichnet, der überraschend wohlwollend reagiert hatte. Das spiegelt sich in der offiziellen Stellungnahme wider: “ProSiebenSat.1 begrüßt das geänderte Angebot von MFE, welches das langfristig angelegte Investment und Engagement in ProSiebenSat.1 unterstreicht.” Die Empfehlung ist auch ein Eingeständnis, dass Habets nicht daran glaubt, den Aktienkurs aus eigener Kraft über den Wert des MFE-Angebots hinaus nach oben zu treiben. PPF und MFE wollten sich zunächst nicht äußern.

VORSTAND: SYNERGIEN NUR BEI KOMPLETTVERKAUF ERREICHBAR

Der Vorstand argumentiert nun, dass sich die Annahme des Angebots für die eigenen Aktionäre nur dann lohne, wenn MFE dadurch Kosteneinsparungen von 150 Millionen Euro erzielen könne. Sie werden schließlich damit zu MFE-Anteilseignern. Die Synergien seien aber nur dann erreichbar, wenn ProSiebenSat.1 vollständig in MFE integriert würde. Dazu müsste MFE aber auf eine Dreiviertel-Mehrheit kommen. Bisher haben sie sich gut 33 Prozent der ProSieben-Anteile gesichert, PPF kommt auf rund 16 Prozent. In der Stellungnahme heißt es, die Aktionäre sollten prüfen, ob sie nicht besser wegkämen, wenn sie ihre Anteile über die Börse verkauften. Dort wurden ProSieben am Mittwoch mit 7,95 Euro gehandelt.

Die Italiener, die auch in Spanien aktiv sind, wollen einen europäischen Fernsehkonzern schaffen, um den Streaming-Riesen aus den USA wie Netflix und Amazon Prime Paroli zu bieten. Sie hatten die möglichen Einsparungen auf 190 bis 225 Millionen Euro taxiert. Strittig ist, ob sich der Gewinn nur durch eine technische Zusammenarbeit – etwa ein gemeinsames Streaming-Portal – und länderübergreifende Werbeverträge mit großen Kunden erreichen lässt oder auch durch die Produktion gemeinsamer Inhalte.

Der DJV warnte, es bestehe die Gefahr, dass ProSiebenSat.1 “schleichend auf populistische Berlusconi-Linie getrimmt werde”. MFE-Chef Pier Silvio Berlusconi ist der Sohn des ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi. Zudem seien journalistische Arbeitsplätze in Gefahr. “Das ist das letzte, was wir im privaten Rundfunk in Deutschland brauchen”, sagte DJV-Chef Beuster. Kulturstaatsminister Wolfram Weimer müsse seine Bedenken “an entscheidender Stelle laut und unüberhörbar” anbringen. Die Medienaufsicht ist allerdings Ländersache. Die bayerische Staatsregierung, die für den in Unterföhring bei München ansässigen Konzern zuständig ist, hatte die erhöhte MFE-Offerte positiv beurteilt.

(Bericht von Alexander Hübner; Mitarbeit: Jan Lopatka in Prag und Elvira Pollina in Mailand; redigiert von Philipp Krach. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

tagreuters.com2025binary_LYNXMPEL750GO-VIEWIMAGE